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Populismus

«Wer sich kritisch in einer Weise äussert, die populär ist, nicht ohne weiteres widerlegt werden kann, systemkritisch, aber keine Kritik von links ist, der muss ein Populist sein.»

Thilo Sarrazin
Publizist, in der F.A.Z. vom 6.6.2016 zur öffentlichen Empörung über seine Thesen.

 

Definieren durch Draufzeigen ist immer am leichtesten. Donald Trump, ein Populist? Was sonst. Marine Le Pen, Frauke Petry? Gewiss. Christoph Blocher? Auch. Und auf jeden Fall der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin, der die Einwände gegen den biologistischen Determinismus, der Passagen seines Buches «Deutschland schafft sich ab» (2010) rassistisch machte, bis heute nicht an sich heranlässt. Dabei ist der Eindruck des SPD-Mitglieds, der Vorwurf des Populismus richte sich nicht gegen linke Stimmen, nicht nur paradox, sondern auch unzutreffend. Der Populismus begann links und ist dort bis heute heimisch. Und er ist mehr als nur Opportunismus und platte Parolen.

Der Populismus wurzelt in einer Bauernrevolte in den USA am Ende des 19. Jahrhunderts, die in die Gründung der «People’s Party» mündete. Das Programm bestand im wesentlichen aus Umverteilung, Bankenregulierung und Referenden. Ihr war nur ein kurzes Leben beschieden, weil sich die grösseren «Democrats» etliche ihrer Forderungen zu eigen machten. Trotzdem war die Strömung stilprägend, ganz wie in Europa die etwa zeitgleich entstehenden Arbeiterparteien: Man diagnostizierte einen ökonomischen Antagonismus (zwischen Stadt und Land, Grossindustrie und Bauernschaft, Kapital und Arbeit) und bauschte ihn zu der Verschwörungstheorie auf, «die Eliten» als Privilegierte «des Systems» schädigten «das Volk». So reden bis heute viele Linke, die ein Komplott «imperialistischer» Regierungen und kapitalistischer Konzerne gegen «die 99 Prozent» wähnen. Dem «Volk aufs Maul zu schauen», genügt dabei nicht; man muss den proklamierten Antagonismus aktiv pflegen und das entsprechende «Wir» erschaffen. Diese Gemeinschaft, gleichsam das Volk («Populus») der Populisten, gilt es aufzuhetzen und die so entstehende Opferbefindlichkeit zu bewirtschaften. Sarrazins patzige Volte, als angeblicher Populist habe man populäre Wahrheiten auf Lager, ist mithin tautologisch.

Es gibt keinen Grund, warum diese Technik am rechten Ende des politischen Spektrums weniger beliebt und wirksam sein sollte als links. Es macht einen freilich schaudern, wenn rechte Verführer das «Wir» von vornherein nationalistisch aufziehen. Da rollt Unheil heran.


Karen Horn
ist Dozentin für ökonomische Ideengeschichte, freie Autorin sowie Chefredaktorin und Mitherausgeberin der Zeitschrift «Perspektiven der Wirtschaftspolitik».

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