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150 Ideen für ein Wort

Für uns, die wir bei Havas arbeiten, ist es immer etwas Besonderes, eine neue Werbekampagne für den «Schweizer Monat» auszutüfteln. Ja, auszutüfteln.

150 Ideen für ein Wort

Der «Schweizer Monat» dreht sich nicht nur um kluge Köpfe, sondern will etwas in den Köpfen der Leser zum Rotieren bringen. Der «Monat» ist kein Celebrity-Magazin für Philosophen, Ökonomen, Künstler und Politiker mit Geltungsdrang, hier geht es um Inhalte. Was hier zu lesen ist, müsste das Ziel jeder Wochen- oder Monatszeitschrift sein: Gedanken und Zusammenhänge aufspüren, die bisher im Verborgenen blieben. Dinge so sehen, wie sie bisher noch niemand gesehen hat – und so zu gemehrter Erkenntnis führen.

Das ist auch die Aufgabe funktionstüchtiger Werbung: Sie will, dass sich in den Köpfen der Rezipienten etwas zu drehen beginnt, etwas weiterspinnt. Ein Geistesblitz, ein Gedanke, ein Erkenntnisgewinn. Den wird sich der Rezipient merken, und der wird ihm dann (idealerweise) positiv haften bleiben. Hier unterscheidet sich Werbung von gutem Journalismus: Werbung hat keine Zeit, denn für Werbung nimmt man sich keine Zeit. Werbung muss also schnell funktionieren. Der Geistesblitz, den die Werbung erzielen will, um den Rezipienten zu überzeugen, wird im Normalfall also in einem kurzen, prägnanten Bild vermittelt oder in einem kurzen, prägnanten Satz. Damit sind wir bei der Entstehung der neuen Kampagne für den «Monat».

Nein, es ist nicht so, dass wir bei Havas um 11 Uhr morgens ins Büro kommen, uns erst mal einen Bourbon einschenken und dann wie kleine Kinder herumkaspern, bis wir eine beschwipste Idee haben. Etwas mehr Arbeit steckt da schon dahinter, im Fall des «Monats» sogar ein grosses Stück: Jede und jeder unserer Kreativen war während rund vier Wochen dazu angehalten, wöchentlich neue Ideen zu entwickeln, die zu der Zeitschrift passen. Ziel war es, Dinge auszuprobieren und kreative Lösungen zu suchen, die vielleicht bei erster Betrachtung seltsam, ja fremd wirken. Aber genau deshalb die Möglichkeit auftun, einen überraschenden Gedanken zu entwickeln, einen, den wir so noch nie gedacht haben. Das Briefing sah dementsprechend aus:

«Der ‹Schweizer Monat› ist ein Monatsmagazin, das in besonderer Weise eine umfassende Weltbetrachtung ermöglicht. Politik, Philosophie, Wissenschaft, Kultur oder Gesellschaftsthemen werden nicht aus einer tagesaktuellen Perspektive heraus betrachtet, sondern offener, weitsichtiger, ‹liberaler›. Das ist einmalig in der Schweizer Printmedienlandschaft und bedeutet für uns: Der ‹Schweizer Monat› ist lesenswert, weil er auch andere Blickwinkel aufzeigt.»

 Darüber haben alle Kreativen gebrütet. In Dreiergruppen, Zweiergruppen, allein. Üblich ist, dass ein Texter und ein Art Director zusammensitzen und Ideen aushecken, also das Zweierteam – in neueren Konstellationen oft ergänzt durch einen Online-Kreativen, ohne dessen digitales Spezialwissen kaum noch adäquate Online-Konzepte erstellt werden können. Dabei kommen sehr intuitiv verschiedene Kreativtechniken zur Anwendung, wovon die häufigste wohl eine auf die Werbeziele adaptierte Variante der von Alex Osborn entwickelten Checkliste für Produkteentwicklung aus den späten 1950er Jahren ist. Doch auch die wird vor allem intuitiv angewendet. Schön an einem Produkt wie dem «Schweizer Monat» ist, dass auch ein durchaus komplexer Gedanke zum Werbegedanken werden kann – und dass man sich auf Themen beziehen kann, die sonst Tabu sind (politische, gesellschaftliche). So verstärkte sich die spielerische Freude bei den Kreativen. Schliesslich landeten rund 150 Ideen auf unseren Tischen, rund 30 schafften es in eine Endauswahl – und von denen wiederum 5 ins Finale. Kampagnen mit opulenten Bildern, mit cleveren Piktogrammen, Kampagnen, die auf originelle Weise von Leseorten wie z.B. der Toilette handelten oder vom Krieg in Syrien, von Hegel oder von Druckerschwärze und so weiter und so fort. Wer nur noch auf fünf Kampagnen sieht, für den ist plötzlich sehr schnell klar, welche Idee das Rennen macht. Und wie das kreative Leben so spielt und als sei das ein Grundgesetz der Kreativität: Nichts ist so, wie man es vermuten würde. Die Grundidee zur neuen Kampagne stammt in erster Linie von einer einzelnen Person, also nix Teamwork. Und zwar von Priska, einer erfahrenen Art Directrice. Ausgerechnet eine Art Direktorin, üblicherweise für Bild und Gestaltung zuständig, überrascht mit einer reinen und völlig reduzierten Textidee. Und um auch in die allseits beliebte Fussballrhetorik einzustimmen: Als würde ein Rechtsaussen von der linken Seite mit dem falschen Fuss ein Tor schiessen. Das mag im Fussball ja mal vorkommen, aber: geht es um kreative Einfälle, ist das nichts Ungewöhnliches.

 

«Ein Wort, ein Satz –: aus Chiffren steigen erkanntes Leben, jäher Sinn» (G. Benn, «Ein Wort»)

In jedem geschriebenen Erzeugnis entscheidet die Wahl der Wörter über alles. Das Wort macht die Relevanz eines Textes aus. Die richtige Wahl liefert den Schlüssel zum eigenständigen Gedanken. Das Wort gilt gemeinhin als kleinste Bedeutungseinheit (weswegen De Saussure ja von «Zeichen» spricht), und genau da setzt die neue Kampagne an.

Aber: Selbst die kleinste Bedeutungseinheit kann noch eine andere Bedeutung in sich tragen, wenn man nur ein paar Buchstaben – zwar in ihrer Reihenfolge belässt, aber – umdreht. Wenn man also die Perspektive anders wählt: Aus von links nach rechts wird auch von rechts nach links. In «erLIEGen» liegt auch «geil», in «KataLYSAtor» liegt «Asyl» und in «synDROM» liegt «Mord». All diese Kombinationen machen auch eine Aussage zu Gesellschaft und Politik – oder wahlweise auch zu anderen Themen. Der «Schweizer Monat» will Sie mitnehmen auf eine Entdeckungsreise: Wagen Sie eine andere Perspektive!

Um diese Wörter zu finden und auf konkrete Themen einzusetzen, kommt nun auch ein Texter zum Zug: Mathias findet gezielt die Wörter, die zum Hauptthema des nächsten Heftes passen, die zu gewissen Sonderausgaben gehören oder die eine grosse Aktualität auf den Punkt, pardon, aufs Zeichen, bringen. Und nicht zuletzt hat das fröhliche Wörter-mit-integrierten-Rückwärtswörtern-Suchen auch die Redaktion erfasst – und falls Sie, liebe Leser, auch Lust zum Knobeln verspüren und ein paar verblüffende Wortfunde machen, schicken Sie die doch an Florian vom «Monat»; Sie erreichen ihn unter florian.rittmeyer@schweizermonat.ch

 

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