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71 Jahre – Urs Widmer

Daniel Keel & Winfried Stephan: «Das Schreiben ist das Ziel, nicht das Buch. Urs Widmer zum 70. Geburtstag». Zürich: Diogenes, 2008

Bekanntlich ist es nicht leicht, das Richtige zu schenken. Schon gar nicht, wenn es um runde Geburtstage prominenter Zeitgenossen geht. Und wenn es dazu noch Intellektuelle sind, dann wird es vollends schwierig. Das Urbild dieser Problematik kennt man aus «Winnie the Pooh». Dort nämlich muss der beständig philosophierende «alte graue Esel I-Ah» erwartungsgemäss feststellen, dass sein Geburtstag vergessen wurde. «Ferkel» jedoch ist imstande, die verfahrene Situation zu retten. Spontan organisiert es einen «Geburtstagsballon», der freilich sturzbedingt nur zerfetzt überreicht werden kann. Eingedenk eines solchen Schreckszenarios tut man gut daran, sich frühzeitig auf Ehrentage einzustellen. Daniel Keel, einer der Herausgeber des vorliegenden Bandes, hat das getan. Dabei konnte er sich sogar von der eigenen Verlagsproduktion anregen lassen. Denn «Der kleine Nick» beispielsweise, der selber gerade das 50. Lebensjahr vollen-det hat, überreicht in solchen Fällen gern einen «prima Blumenstrauss». Und genau das – natürlich in übertragenem Sinne – macht Keel (gemeinsam mit Winfried Stephan) auch, wenn er seinem Jubilar, dem Hausautor und langjährigen Weggefährten Urs Widmer, zum 70. Geburtstag ein liebevoll zusammengestelltes Lesebuch verehrt. Das Resultat ist eine aus vierzehn Beiträgen bestehende Festschrift.

Neben tatsächlich anlassbezogenen Texten (wie der sehr persönlichen Geburtstagsrede von Peter Rüedi) finden sich darin verschiedene, meist für Preisverleihungen entstandene Laudationes aus früheren Jahren, etwa von Ruth Huber, Jörg Drews oder Gerhard Neumann. Hinweise zu Rang und Rolle des Autors im Gefüge der gegenwärtigen deutsch-sprachigen Literatur sowie zu dessen thematischen Präferenzen bieten zudem mehrere aufschlussreiche Essays: Samuel Moser befasst sich mit der «Vaterfigur» im Werk Widmers, Heinz Schafroth mit «der Vielfalt der Erzählorte und der Autorenstimmen» und Klaus Hoffer mit zwei der «Lebensgeschichten». Die angehängte Bibliographie mitsamt der Liste bisher erhaltener Preise dokumentiert die Produktivität des Autors wie auch seine Popularität auf schlichte, aber ein-drückliche Weise. Wertvoll ergänzt wird das so entstandene Bild schliesslich durch den Abdruck eines Gesprächs, das Hans-Jürgen Heinrichs mit Widmer geführt hat. Darin redet dieser unumwunden über seine Aversion dagegen, als der «lustige Purzel von den Alpen» wahrgenommen zu werden, oder über den unüberwindbaren und gerade deshalb so reiz-vollen Konnex von Schmerz und (grosser) Literatur. Der sich selbst zur Geschichte werdende Autor gibt damit hochin-teressante Einblicke in seinen ganz persönlichen künstlerischen Reifeprozess. Ein wahrhaft angemessenes Geschenk für Urs Widmer – eine überaus lohnende Lektüre für seine Leser.

vorgestellt von Anett Lütteken, Bern

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