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Politisches Buch

Arthur Eugster Der Eid mit spezieller Berücksichtigung des appenzellischen LandsgemeindeEides St. Gallen: Verlag Typotron, 2008. Arthur Eugster hat im Verlag Typotron ein Manuskript seines Grossvaters gleichen Namens zum Thema «Eid» der Öffentlichkeit durch Drucklegung zugänglich gemacht. Es handelt sich um einen Vortrag, den der damals 28jährige Pfarrer 1891 vor Berufskollegen gehalten hat und dessen Manuskript […]

Arthur Eugster

Der Eid mit spezieller Berücksichtigung

des appenzellischen LandsgemeindeEides

St. Gallen: Verlag Typotron, 2008.

Arthur Eugster hat im Verlag Typotron ein Manuskript seines Grossvaters gleichen Namens zum Thema «Eid» der Öffentlichkeit durch Drucklegung zugänglich gemacht. Es handelt sich um einen Vortrag, den der damals 28jährige Pfarrer 1891 vor Berufskollegen gehalten hat und dessen Manuskript im Familienbesitz erhalten geblieben ist. Es spricht für die Treffsicherheit bei der Themenwahl, für die Ernsthaftigkeit der Themenbearbeitung und für die Qualität der persönlichen Überlegungen, wenn ein Vortragstext nach 117 Jahren den Leser immer noch zu fesseln und zu weiteren Überlegungen anzuregen vermag. Dass man in einem Land, das sich als «Schweizerische Eidgenossenschaft» bezeichnet, den Eid zum Thema macht, liegt auf der Hand. «Genossenschaft» verweist auf den Ursprung im ökonomischen Bereich der gemeinsamen Selbsthilfe, «Eid» verweist, was heute oft verdrängt oder vergessen wird, auf eine religiös-kulturell, durch einen öffentlich bekundeten Akt verbundene Willensgemeinschaft. Volksbeauftragte Magistraten schwören vor ihrer Wählerschaft, und diese bekundet im gemeinsamen Schwur an der Landsgemeinde ihre Bundestreue und zeigt dabei, dass sie sich selbst als oberste Behörde einsetzt, die keiner irdischen Instanz mehr Rechenschaft schuldet: eine bemerkenswerte Kombination von Anmassung und Demut, die bereits im Bundesbrief von 1291 dokumentiert ist. Die Berufung auf Gott als einzige allmächtige höhere Instanz, die gemeinsam anerkannt wird, ist gegenüber allen irdischen Instanzen eine deutliche Manifestation des nachhaltigen Willens zur Eigenständigkeit.

Es erstaunt nicht, dass der religiöse Akt der Eidesleistung im Jahrhundert der Säkularisierung und der Trennung von Kirche und Staat zum Stein des Anstosses wurde. Die Eidesleistung stand nicht nur von seiten der fortschrittsgläubigen Säkularisierer unter Beschuss, sie musste in einer Art Zweifrontenkieg auch gegen jene Christen verteidigt werden, die, gestützt auf die Bergpredigt, jede Eidesleistung verweigerten. Leo Tolstoi hat in seiner Bekenntnisschrift «Worin besteht mein Glaube?» vehement gegen den Eidschwur Stellung bezogen: «Wie sollte es einem Menschen, den man beim Evange-lium zu schwören veranlasst, in den Sinn kommen, dass er auch auf jene Stelle schwört, an der klar und bestimmt gesagt wird, ihr sollt überhaupt nicht schwören?» Diese Schrift, die übrigens den Ausschluss Tolstois aus der orthodoxen Kirche zur Folge hatte, ist schon 1885 in deutscher Übersetzung erschienen, und es ist gut möglich, dass sie Arthur Eugster bekannt war. Toleranz und Streitvermeidung mit Andersdenkenden bedeuteten dem auch philosopohisch gebildeten Pfarrer und späteren freisinnigen Politiker sehr viel. Sein Vortrag über den Eid ist ein Vermittlungsversuch zwischen allen fundamentalistischen Strömungen. Arthur Eugsters Bruder Howard, der sogenannte Weberpfarrer, war Sozialdemokrat. Hanspeter Strebel hat, in einem ebenfalls im Typotron-Verlag herausgegebenen Essay (St.Gallen, 2007), die beiden Brüder sorgfältig portraitiert, die sich persönlich trotz unterschiedlicher politischer Grundhaltung sehr gut verstanden. Er ruft auch in Erinnerung, dass Howard Eugster sich weigerte, als neugewählter Magistrat den Eid zu leisten. Diese Weigerung hat er vor der Öffent

lichkeit, vor sich selbst und wohl auch gegenüber seinem Bruder wie folgt gerechtfertigt: «Der Eid ist mir, wie alles, was den Namen Gottes berührt, etwas Heiliges. Den Landsgemeindeeid habe ich seinerzeit geleistet, mit einigem Zittern zwar, ob es mir gelinge, das Versprochene in allen Stücken auch zu halten. Und wenn einmal etwas mit einem Eide bekräftigt worden ist, so sollte es dabei bleiben… Als Regierungsrat sah ich mich vor die Wahl gestellt: Willst Du nun, da es auf dem Landsgemeindestuhl [das erhöhte Podium, auf dem die Regierung während der Versammlung steht] allen erkennbar wird, dein Verhalten ändern? Wäre es nicht klüger, sich der Sitte anzupassen? Und ich musste mir sagen: Nein, es ist ehrlich und du bleibst gegen dich selbst und jedermann wahr und aufrichtig, wenn du beim richtig Erkannten beharrst.»

Millionen von Fernsehzuschauern haben weltweit die Vereidigung von US-Präsident Obama mitverfolgt und auch miterlebt, dass beim Vorsprechen und Nachsprechen Fehler passierten. Tags darauf ist darum der formelle Akt im Kartenraum des Weissen Hauses wiederholt worden. Beim zweiten Mal klappte es. Der Präsident soll die Wiederholung laut Presseberichten scherzend kommentiert haben: «Wir haben das beschlossen, weil es soviel Spass gemacht hat.» Richter Roberts zog seine schwarze Robe noch einmal an und fragte: «Sind Sie bereit, den Eid abzulegen?» Obama antwortete: «Ja, das bin ich. Und wir machen es sehr langsam.» Ob er dabei jenes Zittern verspürt hat, das der Appenzeller Howard Eugster beschreibt? Zweifel, ob er das Versprochene in allen Stücken werde halten können? Hauptsache, es macht Spass – so wird der Eid offenbar heute wahrgenommen.

besprochen von Robert Nef, bis 2008 Mitherausgeber und Redaktor der «Schweizer Monatshefte»

Tito Tettamanti

Parliamo della Luna

Bellinzona: Casagrande editore, 2007.

Wer das Tessin verstehen will, tut gut daran, das hier anzuzeigende Buch zu lesen. Tito Tettamanti liefert darin einen weiteren Beweis seiner Fähigkeit, den Finger in schwärende Wunden eines Kantons zu legen, der zunehmend in eine gefährliche politische und wirtschaftliche Lethargie verfällt. Wir erinnern uns: die von Marina Masoni vorangebrachten liberalen Reformen riefen den Widerstand der linken Presse hervor, die eine Reihe von angeblichen Skandalen hochspielte, was schliesslich dazu führte, dass die Regierungsrätin im April 2007 nicht wiedergewählt wurde. Die Kampagne gegen Masoni wurde leider auch vom sozialen Flügel jener Partei unterstützt, der sie selbst angehört, der FDP also, die mit der SP zusammenspannte – ein Beweis dafür, dass das Tessin nach wie vor von Koalitionen und Clans regiert wird, ein Beweis indes, der nur die Spitze eines etatistisch-korporatistischen Eisbergs darstellt, in dem die ganze Tessiner Gesellschaft eingeschlossen ist. Diese Machenschaften haben den Zorn von Tito Tettamanti erregt, der ein instant book im angelsächsischen Stil publiziert hat, um Gegensteuer zu geben. Er ist seinem Kanton verbunden, und er ist als Unternehmer frei zu sagen, was er will. In neun Provokationen rückt er seinem geliebten Kanton zu Leibe – die Themen reichen von der Staatsgläubigkeit des aktuellen bis hin zu den Standortvorteilen eines künftigen Tessin. Fazit: das Tessin hat Wachstumspotential in jeder Hinsicht – man braucht bloss Augen, um es zu sehen.

besprochen von Paolo Pamini,

geboren 1977, Ökonom und Assistent an der Universität Zürich

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