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Grün mit braunen Wurzeln

Was Sie wissen sollten, bevor Sie über die Ecopop-Initiative abstimmen.

Grün mit braunen Wurzeln
© privat.

«Opa, warum sind die Fische tot?», fragt das kleine Mädchen. Und Opa antwortet: «Weil die Industrie das Rheinwasser vergiftet hat.» Dieser Dialog stammt aus einem Fernsehwahlspot der deutschen Grünen von 1983, dem Jahr, als die Partei erstmals in den Bundestag einzog. Für die Rolle des freundlichen Grossvaters heuerten die Werbefilmer nicht irgendeinen Statisten an, sondern Werner Vogel, den Spitzenkandidaten der nordrhein-westfälischen Liste. Nach der Wahl und dem Erfolg der Grünen war Vogel der älteste Abgeordnete; damit stand ihm in der Tradition des Bundestags die Eröffnungsrede zu. Doch dazu kommt es nicht. Denn kurz vorher wird seine Vergangenheit bekannt: SA-Sturmführer und NSDAP-Mitglied. Er tritt zurück. Danach wurde es still um Werner Vogel.

Der Kandidat von 1983 war keine Ausnahmeerscheinung. Mehrere Ex-Nazis gehörten zu den Gründervätern der deutschen Grünen und zur Führungsspitze grosser Umweltverbände. Sie sind tot und in Vergessenheit geraten. Vor der Abstimmung zur Schweizer Ecopop-Initiative stellt sich indes die Frage: War es ein Zufall, dass Politiker mit brauner Vergangenheit als Geburtshelfer einer angeblich völlig neuartigen Bewegung fungierten? Passte nicht vieles vom grünen Weltbild in die Weltanschauung ihrer Jugend: die Natur als geistiger Bezugspunkt, das Unbehagen an der Moderne, die Zurückweisung des Fortschritts, das Misstrauen gegen die Technik sowie der alte deutsche Wunsch nach einer Erziehungsdiktatur?

Zur Verteidigung muss gesagt werden: Vogel und andere Mitbegründer mit brauner Vergangenheit wurden später aus der Partei gedrängt. Einer der wenigen, die sich offensiv mit den ideengeschichtlichen Gemeinsamkeiten von Braun und Grün befassten, ist übrigens der deutsche Grüne Jürgen Trittin. Er hat einen Beitrag auf seine Website gestellt, in dem er von «erheblichen Schnittmengen» und «zahlreichen Berührungspunkten» schreibt. Der Naturschutz sei «in mehrfacher Beziehung anschlussfähig an das Ideologienkonglomerat der Nazis» gewesen. «All das mag für einen Naturschützer unangenehm sein – aber es ist die historische Wahrheit.»

Die Weltanschauung des «Dritten Reiches» war viel grüner, als vielen Grünen heute lieb ist. Zur «Blut und Boden»-Ideologie gehörten gesunde Ernährung, die Idealisierung des bäuerlichen Lebens und deutsche Waldromantik.

Bis heute auch wabert in der grünen Bewegung ein Kult um das Autochthone, vom regionalen Essen bis zur Ablehnung «fremder» Tier- und Pflanzenarten. Biologisch ist das ziemlich unsinnig. So wie die deutsche und Schweizer Bevölkerung kaum germanisch oder helvetisch ist, sondern einem sich über die Jahrhunderte immer wieder verändernden Völkergemisch entstammt, so war auch die «heimische» Tier- und Pflanzenwelt nie statisch. Die heute übliche Einteilung, dass alle Arten fremd seien, die nach 1500 eingewandert sind oder vom Menschen angesiedelt wurden, ist offensichtlich willkürlich. «Nur ein totalitärer Staat kann wissen, welche statische Natur er schützen und einrichten will», kritisiert der Ökologe Hansjörg Küster.

 

Der Mensch als Krankheit?

Die grüne Seite des Nationalsozialismus ist ein äusserst peinliches Thema. Zu ähnlich sind manche Schlagworte und Denkmuster. Doch es hilft nicht weiter, einfach so zu tun, als wäre grünes Denken per se emanzipatorisch und menschenfreundlich. So ist es immer wieder erstaunlich, dass Menschen, die die Welt retten wollen, den Menschen als Spezies verachten. In umweltbewegten Kreisen kursiert beispielsweise folgender «Öko-Witz»: «Treffen sich zwei Planeten im Weltall. Sagt der eine: ‹Du siehst aber schlecht aus. Fehlt dir was?› Sagt der zweite: ‹Mir geht’s gar nicht gut. Ich habe Homo sapiens.› Tröstet ihn der andere: ‹Mach dir keine Sorgen, das geht schnell vorbei.›»

Man ist manchmal regelrecht erschrocken über die Radikalität, mit der solche Ansichten vertreten werden. Auf einem Blog der Wochenzeitung «Die Zeit» kommentierte ein Leser: «Wir haben die Wahl zwischen harten, aber humanen Geburtenstopp-Massnahmen, die das Übel an der Wurzel packen, und unserem selbstverschuldeten elenden Dahinsiechen.» In den Kommentarspalten von «Spiegel-Online» verirrte sich ein anderer gar in diese Aussage: «Menschen sind widerliche Parasiten. Wir gehören ausgerottet.» Schon Alexander King, einer der Gründer des Club of Rome und Initiator der Studie «Die Grenzen des Wachstums», meinte einst zum Thema der Malariabekämpfung: «Mein Problem ist, dass es die Überbevölkerung verstärkt.» Der Verhaltensforscher und Umweltaktivist Konrad Lorenz bekannte in einem seiner letzten Interviews: «Gegen Überbevölkerung hat die Menschheit nichts Vernünftiges unternommen. Man könnte daher eine gewisse Sympathie für Aids bekommen.» Und er fügte hinzu: «Es zeigt sich, dass die ethischen Menschen nicht so viele Kinder haben und sich die Gangster unbegrenzt und sorglos weitervermehren.»

Der Biologe Paul R. Ehrlich veröffentlichte 1968 sein berühmtes Buch mit dem Titel «The Population Bomb» (Die Bevölkerungsbombe), dessen Geist heute noch weht. Ehrlich beklagte darin die rasante Zunahme der Kinderzahl und sagte voraus, dass die Hälfte der Menschheit verhungern würde. Ehrlich verlangte, die Familienplanung als erfolglose, individualistische Form der Geburtenkon-trolle durch eine übergreifende Bevölkerungskontrolle abzulösen. So sollte sich die Zahl der Menschen nach einem kontrollierten Massensterben («die-back») bei etwa zwei Milliarden einpendeln: «Kennzeichnend für die damalige Bevölkerungsdebatte ist es, dass Ehrlich Geburtenraten ausschliesslich nach verursachten gesellschaftlichen Kosten bewertete», schreibt die Wissenschaftshistorikerin Sabine Höhler dazu, «Familien mit mehr als zwei Kindern bezichtigte er der Verantwortungslosigkeit.» Ginge es nach Ehrlich, hätten grosse Familien finanzielle Belastungen künftig selbst zu tragen, etwa durch «Luxussteuern» für Babyausstattungen. «Nötigung? Vielleicht, aber zum Wohle der Genötigten», rechtfertigte Ehrlich seine Vorschläge, schliesslich gehe es um das schiere «Überleben» der Menschheit auf einem begrenzten Globus. Doch ausgerechnet die südostasiatischen Länder, denen Ehrlich die grösste Katastrophe voraussagte, überwanden trotz enormen Bevölkerungswachstums den Hunger und nahmen den westlichen Industrienationen obendrein viele Märkte ab.

Wer nun glaubt, dass solche totalitären Zukunftsphantasien heutzutage zu einem gesellschaftlichen und medialen Aufschrei führen würden, täuscht sich. Unter einem anderen Etikett feiert Paul R. Ehrlich Auferstehung. Das mag ein Aufsatz verdeutlichen, den die Wissenschaftszeitschrift «Global Environmental Change» veröffentlichte. Jedes Baby, so die Forscher, werde Treibhausgase produzieren und damit zum Klimawandel und in der Folge zur Schädigung der Gesellschaft beitragen.1 Für Industrieländer taxieren sie die Kosten eines kleinen Klimaschädlings auf 28 200 Dollar, in einem Entwicklungsland auf 4400 Dollar. Galt es in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als ausgemacht, dass die Welt so viele Menschen niemals ernähren könne, so wird heute mit der gleichen Überzeugung argumentiert, die grosse Zahl der Menschen und ihr Ressourcenverbrauch würden das Klima ruinieren und den Planeten unbewohnbar machen.

Das regressive Denken dahinter geht auf den britischen Geistlichen und Ökonomen Thomas Malthus zurück. Viele umweltbewegte und wohlmeinende Menschen argumentieren in seinem Sinne – ohne Malthus überhaupt zu kennen, geschweige denn, sich mit seinem problematischen Wirken beschäftigt zu haben. Zu seiner Zeit im 18. Jahrhundert sah Thomas Malthus sich von Armut und Hunger umgeben. Der britische Ökonom suchte nach den Ursachen und formulierte seine Gedanken 1798 in seinem «Essay on the Principle Population» («Das Bevölkerungsgesetz»). Seine Kernthese lautete, dass Bevölkerungszahl und Nahrungsmittelproduktion sich naturgesetzlich auseinanderbewegten. Während sich die Ernte allenfalls linear steigern lasse, vergrössere sich die Bevölkerungszahl exponentiell. Die Bevölkerung wächst Malthus zufolge in einer exponentiellen Reihe 1, 2, 4, 8, 16 und so fort, die Lebensmittelproduktion aber nur linear 1, 2, 3, 4. Deshalb müssten viele Menschen an Hunger sterben, wenn es nicht gelinge, die Geburtenrate signifikant zu senken.

Die tatsächliche Entwicklung verlief in den angehenden Indus-trieländern, deren Entwicklung Malthus analysiert hatte, vollkommen anders als von ihm vorhergesagt. Die Wende brachte die industrielle Revolution, die auch den Lebensstandard der Unterschichten nachhaltig – und so von Malthus nicht vorhergesehen – verbesserte.

Das Problem ist nicht die hohe Bevölkerungszahl, weder hinsichtlich der Welternährung noch hinsichtlich der Umweltsituation. Das Problem ist die Armut. Wohlstand ist überhaupt erst die Voraussetzung für das Entstehen eines Umweltbewusstseins. Wer um das Überleben kämpft, kann und wird auf die Natur keine Rücksicht nehmen.

 

Der Mensch als Problemlöser!

Wenn Grüne Massnahmen gegen eine angebliche «Überbevölkerung» lancieren, ist es wichtig zu erkennen, dass die alte malthussche Ideologie in neuer ökologischer Verkleidung wieder auflebt. Paul R. Ehrlich mit seiner «Bevölkerungsbombe» zählte dazu, aber auch der Club of Rome mit seinen «Grenzen des Wachstums». Aktuell wird der alte Wein in neuen Schläuchen von zahlreichen Anti-Wachstums-Bewegungen vertreten. Der Mensch wird in dieser Denktradition vor allem als Zerstörer und Verbraucher wahrgenommen, nicht aber als kreativer Problemlöser. Nachdem die Bevölkerung der früher sogenannten «Dritten Welt» das Denken zunehmend selbst übernommen hat, haben die Malthusianer jetzt eine neue Klientel für ihre Bemühungen entdeckt: die «künftigen Generationen».

Genau wie Tiere und Bäume haben auch «künftige Generationen» den Vorteil, dass sie nicht widersprechen können. Inzwischen haben das auch alle anderen Parteien und Interessengruppen gemerkt, die auf der Suche nach einer pflegeleichten neuen Klientel sind, mit deren Hilfe sie ihre alten Interessen durchsetzen können.

 


1 Paul A. Murtaugh, Michael G. Schlax: Reproduction and the Carbon Legacies  of Individuals. In: Global Environmental Change 19 (2009), S. 14–20.

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