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Fjord von Killary

Kurzgeschichte von Kevin Barry. Aus dem Englischen übersetzt von Peter Torberg. Mit Illustrationen von Joshua Drewe

Fjord von Killary

Ich hatte mir tatsächlich ein altes Hotel am Fjord von Killary gekauft. Es stand direkt an der Hafenmauer. Auf der anderen Seite des Wassers erhob sich Mweelrea Mountain, darüber ein erbärmlich grauer Himmel. Es regnete an 287 Tagen im Jahr, und die Ortsansässigen neigten zu überwältigenden Stimmungsschwankungen. In der fraglichen Nacht regnete es besonders heftig – so als würde ein besonders verärgerter Himmelsgott mit aller Macht ganze Hände voller Nägel schleudern. Zu diesem Zeitpunkt lebte ich seit acht Monaten in dem Ort und ich war der felsenfesten Ansicht, das würde mein Tod sein.

«Das ist ja der reinste Weltuntergang», sagte ich.

Der Chor der Ortsansässigen in der Hotelbar beachtete mich nicht weiter, wie immer. Nach ihren Massstäben war ich nur ein quengeliger Hereingeschneiter, einfach nicht geschaffen für das harte, grobe Leben im Westen Irlands. Stattdessen hörten sie John Murphy zu, unserem zum Alkohol neigenden Bestattungsunternehmer.

«Ich bring alles unter die Erde, was sich bewegt, verflucht», sagte er. «Mistkerle, Selbstmörder, Tinker. Ist mir vollkommen scheissegal.»

Im übrigen ist Mweelrea der deprimierendste Berg, den Sie jemals gesehen haben, und seine öde, drohende Form verstellte fast vollständig die Aussicht vom Water’s Edge Hotel, auch die von der Bar. Die Ansässigen tranken meist Bushmills und Guinness und das in rauhen Mengen. Ich wischte das Vergossene mit einem Putzlappen, den ich langsam mit einer an Irrsinn grenzenden Leidenschaft hasste, vom Tresen. «Aber mal ehrlich», sagte ich, «das ist doch eine ziemlich üble Flut, nein?»

Sie würdigten mich kaum eines Blicks. Nun unterhielten sie sich über Strassen, Entfernungen, Wegbeschreibungen. Sie entwarfen eine Geographie der Gegend den Pubs entlang:

«Kennst du das ‹Madigan’s› in Maynooth?»

«Na klar, tu ich das.»

«Danach geht’s links.»

«Ach, jetzt weiss ich.»

Das Hotel hatte dreiundzwanzig Zimmer und neigte sich nach Westen. Legte man in einem beliebigen Zimmer eine Dose Erbsen auf den Boden, dann rollte sie langsam in Richtung des vor sich hinmurmelnden Atlantiks. Der Immobilienmakler hatte die Geschichte des Hauses in der Broschüre kräftig aufgehübscht – alte Postwechselstation, originale Balken, Thackeray blieb zu Besuch, das kulturelle Erbe drang aus allen Poren usw. – und ich hatte mich daraufgestürzt. Ich war der letzte noch lebende hoffnungslose Romantiker.

Das Gespräch hatte sich kurzzeitig von Strassen und Wegbeschreibungen abgewandt.

«Sollte er noch in der Gegend sein, wenn man ihr die Verbände abnimmt», sagte Bill Knott, der Landvermesser, «dann hat er mehr Mumm als ich.»

«Nette Frau», pflichtete ihm John Murphy bei. «Solange du nicht die Hand in den Käfig steckst.»

Hinter der Bar: die Zapfhähne für Guinness und Smithwicks, die Zapfhähne für Lager, die Spiegelwand, die ordentlich aufgereihten Gläser und ein Barhocker, der neben einem schmalen Fensterschlitz stand, von dem aus man übers Wasser zum Mweelrea schauen konnte. Ständig hing der jodhaltige Geruch von Seetang in der Luft, bei dem ich an Einbalsamierung denken musste. Bill Knott schaute flüchtig über seinen Bushmills hinweg zum Wasser hinaus.

«Ziemlich hoch, stimmt schon», sagte er. «Aber wovon reden wir bis Belmullet, was meint ihr? Über Land?»

Oft schien es, als bestünde das Hauptinteresse dieser Leute darin, wie weit es von einem Ort zum anderen war und wie lange man, je nach Strassenzustand, für die Fahrt brauchte. Bill war in jungen Jahren im Transportwesen gewesen und hielt sich für einen Experten.

«Keine Ahnung, Bill», sagte ich.

«Eine Stunde zwanzig, wenn man nicht hinter Newport im Stau steckt?»

«Ich weiss es wirklich nicht, Bill.»

«Es gibt ja einige, die meinen, man schaffe das in einer Stunde.» Er nahm einen kleinen Schluck. «Aber da müsste man schon höllisch schnell sein wie ein geölter Blitz, wenn man von Westport herkommt, findest du nicht?»

«Ich habe nicht die leiseste Ahnung, Bill.»

Ich hatte es – trotz aller Umstände – im Leben durchaus zu etwas gebracht. Doch letztes Jahr wurde ich vierzig, und ich hatte das Gefühl, die Erschöpfung breite sich in mir aus wie ein Schimmelpilz. Unter vierzig denkt man, Erschöpfung sei so ähnlich wie ein lang anhaltender Kater. Danach kriegt man es dann so richtig mit. Selbst die eigenen Leidenschaften erschöpfen einen. Ich stellte fest, dass es mir immer schwerer fiel, mich den ganzen Tag allein mit meiner Arbeit zu beschäftigen. Und die Stadt ging mir auf die Nerven – zu viele junge Menschen ringsherum. Da erschien die Broschüre mit dem Hotel wie eine Offenbarung. Tagelang hielt ich sie in Händen. Ich war ganz aufgewühlt bei dem Gedanken an eine Flucht nach Westen. Ich lag mit der Broschüre im Bett, während der Puls der Stadt einen kratzenden, spöttischen Ton spielte, und stöhnte beim Lesen:

Originale Holzbalken.

Alte Postwechselstation.

Thackeray.

Seit 1648.

Das Hotel erschien wie die ideale Lösung. Ich konnte mich durch den tagtäglichen Betrieb und die endlosen kleinen Aufgaben (von mir selbst) ablenken und vielleicht spät nachts oder in den frühen Morgenstunden weiterdichten, wenn auch nicht mehr so intensiv.

Alle meine Freunde, ohne Ausnahme, sagten: «The Shining.»

Doch ich dachte nur: Der Westen Irlands  … das murmelnde Meer … die felsigen Hügel, fest begründet in einem grünlichen Licht (dem Glanz eines traurigen Traums) … die reinigende Luft … die Wiesel, die schüchtern aus Spalten in den Bruchsteinmauern linsten …

Ja. All das würde einen neuen Menschen aus mir machen. Aber natürlich hatte ich nicht damit gerechnet, mir anhören zu müssen, wie mein Sommerpersonal, eine Gruppe von gesunden, lebhaften Weissrussen, zu jeder beliebigen Uhrzeit miteinander vögelte.

Und das Meer murmelte nicht, es brabbelte.

Brabbel, brabbel – rausch. Brabbel, brabbel – rausch.

Am anderen Ende der Bar belästigte Mick Harty, Regionalvertreter für Bullensperma, seine ungeheuer fette Frau Vivien.

«Wir haben gerade in dem Laden gegessen, den diese holländischen Schwuchteln führen», sagte er. «Austern als Vorspeise … ich dreh noch durch, verdammt!»

Vivien schlug nach ihm und kreischte, während er über ihre massigen Hüften strich. Dann drehte er sie seitwärts und zog ihren fetten Hintern auf seinen Schoss, und sie wurde rot und kicherte. Ausser mir kümmerte sich niemand auch nur im Geringsten um diesen Anblick. Und während sie den angedeuteten Arschfick ihres schnatternden Gatten über sich ergehen liess, drehte sie sich zu mir um und erzählte mir haarklein, was sie für das Essen im Restaurant des holländischen Pärchens bezahlt hatten.

«Zwei Vorspeisen, zwei Hauptgerichte, wir haben uns einen Nachtisch geteilt, zwei Flaschen Wein, zwei Cappuccino», sagte sie, während Mick hinter ihr langsam pumpte und mit heiserer Stimme einen Song von Alicia Keys zum Besten gab. «Hundertsechsunddreissig Euro – nicht gerade billig, Caoimhin.»

«Cappuccino trinkt man zum Frühstück», entgegnete ich. «Der ist nicht als Dessert bestimmt.»

Ich war nicht sonderlich beliebt hier draussen in Killary. Ich würde mich für etwas «Besseres» halten, hiess es. Natürlich war ich was Besseres, verflucht. Ich ass täglich mindestens fünf Portionen Obst und Gemüse. Die Omega-3-Fettsäuren von fettem Fisch kamen mir schon zu den Ohren hinaus. Ich beschränkte meinen Konsum auf 21 Alkoholeinheiten pro Woche. Ich hatte seit acht Monaten keine zwei aufeinanderfolgenden Zeilen eines Gedichts verfasst. Dafür kannte ich mich langsam in den merkwürdigen, verbotenen Sitten dieser Bergregion aus.

«Die Arschlöcher da oben panschen wieder mit dem Diesel rum», sagte John Murphy. «Die Hourigans? Ist ja klar, der Alte vor ihnen war ja auch schon Dieselpanscher, oder? Arschlöcher, einer wie der andere.»

«Arschlöcher», bestätigte Bill Knott.

Draussen hämmerte der Regen weiter auf unsere trübe kleine Welt ein, und der Himmel hatte den letzten Rest abendliches Grau abgelegt und einen kräftigen violetten Farbton angenommen, der bedrohlich näherkam und biblisch wirkte.

«Der Himmel schaut so komisch aus, wie, ich weiss gar nicht, was», meinte ich.

John Murphy schnappte meinen Ellbogen, als ich an der Bar entlangging – nach dem dritten Pint wurde er immer aggressiv –, und sagte: «Schätze, du weisst schon, dass diese besessene Teufelin oben im Haus mich noch ins Grab bringt?»

«John», erwiderte ich, «davon will ich nichts hören.»

«Nein, wirklich, Caoimhin! Die wird mich noch umbringen!»

«John, deine Ehe ist deine Privatsache.»

«Sie vergiftet mich, verflucht! Ich schwör bei Gott, verdammt noch mal! Ich schmeck’s am Tee, Caoimh!»

«Noch eins, John?» Ich zeigte auf sein leeres Bierglas.

«Ja, bitte», antwortete er.

Sie waren alle völlig durchgeknallt. Darauf lief es hinaus. Die Gewohnheitstrinker auf dem Land leiden an allen möglichen Wahnvorstellungen, an Verfolgungswahn und verzerrter Wahrnehmung. Die Welt, die ein Säufer um sich herum aufbaut, ist hochgradig verbittert, und es fällt ihm durchaus schwer, sich vorzustellen, dass alle anderen um ihn herum nicht dazugehören.

«Mick ist schon sechzig», sagte Vivien Harty, die ganz beeindruckt war von der Hartnäckigkeit ihres Mannes, «aber er kriegt immer noch nicht genug.»

In diesem Augenblick brach eine wahre Kakofonie aus:

Von den Hügeln, von überall her war schweres, unnatürlich laut wirkendes Hundegebell zu hören. Als Reaktion darauf versiegte die Unterhaltung in der Bar für einen Augenblick und setzte ebenso abrupt wieder ein.

«Und das Tiramisu?», sagte Mick Harty. «Also, keine Ahnung, ob man das essen oder sich damit am ganzen Körper einschmieren sollte.»

Nadia, eine meiner weissrussischen Angestellten, kam aus dem Speiseraum herüber und räumte mürrisch ein paar Gläser ab.

«Was für ein Hintern», sagte John Murphy.

«Also bitte, John», ermahnte ich ihn.

«Zwei Äpfel in nem Schnupftuch», fuhr er fort.

Ich ging davon aus, dass meine neun Angestellten es alle in unterschiedlichem Ausmass miteinander trieben. Ich hatte sie in den tristen Zimmern ohne Aussicht an der Rückseite des Hotels untergebracht, wo ich während der Hauptsaison, wie ich das in meiner Naivität lächerlicherweise nannte, selbst wohnte, und meine schlaflosen Nächte waren erfüllt mit den Geräuschen ihrer wechselnden Leidenschaften.

«Danke, Nadia», sagte ich.

Sie schaute mich finster an und stellte die Gläser in die Spülmaschine. Ich sollte nur ja nicht vergessen, dass ich gerade mal Mindestlohn zahlte.

Die Hunde hatten aufgehört zu bellen; es regnete weiter.

Es schüttete wie irrsinnig, breite Wasservorhänge dampften den Mweelrea hinunter, und das Wasser im Hafen brüllte im immer dicker werdenden Licht. Die Sicht lag unter fünf Metern. All dies bedeutete, dass im Westen Irlands die Urlaubszeit begonnen hatte.

«Es hat ihn niedergeworfen», sagte John Murphy, der über einen Mann sprach, den er kürzlich beerdigt hatte. «War ganz in sich gekehrt. Hat anderthalb Jahre kein Wort gesprochen und ist dann an einem Würstchen erstickt. Wenn man ihn besuchte, hat er kein Wort mit einem gesprochen, aber er wusste, dass man da war. Seine kleinen Augen sind einem durch das ganze Zimmer gefolgt.»

«Wie alt war er denn, als er starb, John?»

«Zweiundvierzig.»

«Gut gehalten?»

«Arra. Gut, dass er es hinter sich hat.»

In den ersten paar Wochen im «Water’s Edge Hotel» hatte ich mir unter der Theke heimlich Notizen gemacht. Ausdrücke wie «Arra» schrieb ich begeistert mit, dazu die mögliche Bedeutung – «arra», wie in «all right»? Es dauerte allerdings nicht lange, bis ich von diesen rührseligen Idioten die Schnauze voll hatte.

Es war übrigens der Montag des langen Mai-Wochenendes. Killary hatte sich herausgeputzt. Im Dorf machte die Ansicht fröhlich die Runde, dass dies das verregnetste Wochenende seit Menschengedenken gewesen sei. Die paar fehlgeleiteten Bergwanderer und Radfahrer, die aufgetaucht waren, reisten wortlos wütend vorzeitig ab, und im Lesezimmer des «Water’s Edge» sassen nur noch zwei ältere Pärchen, die das Kaminfeuer genossen. Ich verliess die Bar und ging durch den Leseraum, um ihnen ein Lächeln zu schenken, ein paar Stücke Torf aufzulegen und nachzuschauen, ob sie nicht bereits verschieden waren.

Sie starrten in die Flammen.

«Ganz schönes Wetter, nicht?», probierte ich es, doch niemand reagierte darauf.

Die Paare hielten Händchen und schienen kräftige Beruhigungsmittel genommen zu haben. Als ich wieder durchs Foyer ging, sah ich zu den Türen hinaus und beobachtete ein Paar Nerze, die über die Hafenmauer huschten. Sie überquerten hintereinander die Strasse und eilten zu den ansteigenden Weiden hinter dem Hotel. Ich kehrte in die Bar zurück und spürte eine merkwürdige Übelkeit in mir aufsteigen. «Diese Drüse kann man schon rausschneiden», sagte Bill Knott, «aber was, wenn sich die Wunde dann entzündet?»

Er schüttelte hoffnungslos den Kopf.

«Dann», fuhr er fort, «dann fängt der ganze Spass erst an.»

Meine Bar gehörte zu den vier Orten mit Schanklizenz in einer Gegend von etwa dreihundert weit verstreut lebenden Seelen. Brutal wenig nach irischen Massstäben, es gab also genügend Kundschaft für uns, um uns alle auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit zu erhalten. Die Bar war noch so ein Grund gewesen, warum ich den Laden gekauft hatte. Sie war gemütlich, altmodische Mahagoniverzierungen, niedrige Tische mit verzinkten Platten und ein paar Fotos von berühmten Zieleinläufen auf der Rennbahn in Ballybrit. Abends übernahm ich immer den Dienst an der Bar. Ich hegte die verrückte Vorstellung, dass diese Tätigkeit mir die charmante Aura eines Kneipenwirts verleihen würde. Und dies trotz der Tatsache, dass mich sogar zwei meiner ehemaligen Freundinnen (beides scharfzüngige Akademikerinnen, muss ich zugeben) als «Trauerkloss» bezeichnet hatten.

Der Thekentratsch ging ungehindert weiter:

Bill Knott schätzte gerade die Entfernung nach Derry, wenn man über Enniskillen fuhr. Vivien Harty teilte John Murphy mit, dass seine Frau letzten Dienstag ja wirklich einen schäbigen Mantel getragen habe, dass er dennoch gut für sie sorgen würde, wo sie doch diese verpfuschte Hysterektomie hinter sich hätte. Mick Harty sprach über den grenzübergreifenden Hengsthandel und wirkte leicht mordlustig. «Jetzt sind die Arschlöcher hinter unseren Gäulen her», sagte er.

In der Zwischenzeit stand Nadia auf dem Hocker und putzte die Spiegel, während sie verrückte weissrussische Popsongs vor sich hinsang. Galle stieg mir die Speiseröhre hinauf. Das alles ging mir aufs Gemüt. Ich scheiterte gerade grandios daran, den Gastgeber zu spielen. Stumm lehnte ich mich an die Theke neben der Kasse. Ich schaute zu dem kleinen Fenster hinaus. Es war nass.

«Ernsthaft, Jungs, so eine hohe Flut haben wir doch noch nie gehabt?», fragte ich. «Oder doch?»

Das Wasser schlug gegen die oberste Kante der Hafenmauer. Der Makler hatte mir versichert, dass es hier nie zu Überschwemmungen kam. Ich hatte dem schlüpfrigen alten Sack in die Augen geschaut und ihm geglaubt. Ich hatte vermutet, ja gehofft, dass das Leben, das ich hier fand, sich schliesslich in meiner Arbeit niederschlagen würde. Etwas würde in mir reifen. Ich würde in der Lage sein, all das stumpfsinnige, ungereimte Zeug über die sexuell aufgeheizten Grossstädte hinter mir zu lassen, das mich in English Departments auf dem Land halbwegs berühmt gemacht hatte. Den Einwohnern von Killary war bekannt, dass ich dichtete, aber das war kein Problem für sie – hier draussen hatte nie Mangel an Dichtern geherrscht. Auf jedem kantigen Felsen in der Gegend hatte irgendwann mal der knochige Hintern eines hypochondrischen Erleuchtungssuchenden gehockt. Irgendeines Arschlochs, der sich endlos über seine Lungen ausliess.

«Also, dafür würde es sich lohnen, in den Knast zu gehen», sagte John Murphy.

Wieder mal begaffte er die Rückseite von Nadia, die gerade in die Küche ging.

«John, ich habe dich gewarnt», mahnte ich.

«Ich sag doch nur», entgegnete er.

Mürrisch widmete er sich wieder seinem Stout. Die Leute in dieser Gegend von North Galway sind sexbesessen. Meine Meinung. Ich war hier auf ein Ausmass an Zotigkeit gestossen, das schon an heidnische Rituale grenzte. Das hat natürlich uralte Tradition. Sie lecken es von den kantigen Felsen. Schon Thackeray bemerkte die korsettlosen Kleider der irischen Landfrauen, ebenso die Tatsache, dass sie vollkommen Fremde zur Begrüssung küssten und ihre üppigen Busen wogen liessen.

«Ich will mich ja nicht auf das kleine Luder stürzen», sagte John Murphy. «Die Zeiten sind schon verflucht lange vorbei.»

Wenn ich den Laden auch nur für drei Viertel der Summe loswürde, die ich dafür bezahlt hatte, könnte ich mir halb Kambodscha kaufen und auf den bescheuerten Colonel Kurtz machen. Die hübsche, kaltherzige Nadia kam aus der Küche gestürzt. Sie war leichenblass.

«Ist Otter!», rief sie.

«Was?»

«Ist Otter in Küche!»

Als ich dort eintraf, schlabberte er Suppe. Karotte und Koriander, einen riesigen Topf voll. Normalerweise sind Otter ja fürchterlich schreckhaft, aber dieser Bursche war so träge wie ein Surfer. Nervös scheuchte ich ihn zur Hintertür. Er liess sich Zeit dabei. Draussen hielt er sich nicht in Richtung der Felsen an der Flutmarke, wo die Otter lebten, sondern suchte sich höheres Land weiter südlich.

Ich sah zum Hafen hinüber. Die Hafenmauer verschwand unter schäumenden Wasserwänden. Ich trat wieder ins Foyer.

«Tatsächlich, ein verdammter Otter», sagte ich.

Die Ortsansässigen sahen mich in stummer Verachtung an, so als würden sie mit Ottern in der Küche rechnen, so wie ich die Dinge schleifen liess.

Ich wies zum Hafen hinüber.

«Wird es eine Überschwemmung geben?», fragte ich mit zitternder Stimme.

«Wenn man von Sligo kommt, schafft man das in einer guten Zeit, normalerweise», sagte Bill Knott. «Es sei denn, es ist Donnerstag. Aber die Scheisser haben ja auch genug Strassen unter den Rädern, seit McSharry Minister war.»

«Ob es eine Überschwemmung geben wird, Bill? Gibt es eine? Hörst du mir überhaupt zu?»

Graue Stille breitete sich kurzfristig aus.

«Hat es seit sechzehn Jahren nicht gegeben», antwortete er. «Und jetzt auch nicht.»

Ich verbrachte jede Minute meiner wachen Zeit damit, das «Water’s Edge» über Wasser zu halten. Ich war kurzatmig, angespannt, aus dem Gleichgewicht. Ich hatte ungefähr die Hälfte dessen hinter mir, was Dichter wohl «ein langes Schweigen» nennen würden – fünf Jahre waren seit meiner letzten veröffentlichten Gedichtsammlung vergangen. Wann immer ich mich vor ein Blatt oder den Monitor setzte, war mir nach Weinen zumute, und nicht immer widerstand ich der Versuchung. Die Ödnis der Berge, der lapidare Rhythmus der Fluten, der riesige, schizophrene Himmel: All das inspirierte mich nicht; sie weckten nur hoffnungslose Lust und negative Gedankenmuster. Immer wieder sah ich mich mit der Wahrheit konfrontiert: Ich war der geborene Stadtmensch, und ich hatte einen fürchterlichen Fehler begangen, herzukommen. Ich stellte ein Glas Bushmills für Bill Knott hin.

«Die Gegend, aus der deine Angestellten kommen», sagte er, «Weissrussland?»

«Was ist damit, Bill?»

«In welche Richtung muss ich da fahren?»

«Wenn man mal bedenkt», begann Vivien Harty, «was dieses Land alles für Europa durchgemacht hat, und wir kriechen auf Händen und Knien nach Brüssel, nur um mit Buttergutscheinen abgespeist zu werden, doch kaum kommen wir halbwegs auf die Füsse, finden diese Bastarde aus Irgendwo, sie könnten einfach irgendwo hinspazieren, wie es ihnen gefällt, und uns die Arbeit wegnehmen?»

Auf den Hügeln rings um Killary jaulten wieder die Hunde wie in einer Gruselnacht; ein markerschütterndes Geheul ging in das nächste über, lauter als zuvor.

«Heilige Mutter Gottes», sagte John Murphy.

Die Hunde waren so laut, dass man sie nicht mehr überhören konnte. Wir traten alle an die Fenster. Die Strasse zwischen Hotel und Hafenwand war kurzzeitig verschwunden. Der letzte Rest des Abendlichts hatte ein unwirkliches Kermit-Grün angenommen. Die Hunde jaulten. Es regnete weiter.

«Die Strassen sind unpassierbar», sagte Bill Knott, der sich endlich beeindruckt zeigte.

Mick Hartys Hände glitten die Unterseiten von Viviens Oberschenkel hinunter. Der Regen wehte in grossen, unaufhaltsamen Böen aus West vom Atlantik herein.

«Das wird so bald nicht wieder aufhören», hielt ich das Offenkundige fest.

«Das Wasser steht schon an der zweiten Stufe», bemerkte Vivien Harty.

Vier alte Steinstufen führten zur Eingangsterrasse des Hotels.

«Und steigt», ergänzte Mick Harty.

«Einen solchen Regen habe ich seit Castlebar nicht mehr gesehen», sagte John Murphy, «März 1973.»

«Was meint ihr, wie lange bis Castlebar?», fragte Bill Knott. «Eine Dreiviertelstunde?»

Wir zogen uns von den Fenstern zurück. Unsere Bewegungen wirkten wie choreographiert. Leise wurden Anrufe auf Handys getätigt. Wir flüsterten.

Schnell machte das Gerücht die Runde, dass das Wasser im ganzen Fjord gestiegen war und die Hafenmauer überspült hatte. Die Rettungsdienste waren alarmiert worden. Man sprach davon – wenn auch ein wenig zu spät –, Sandsäcke zu füllen. Sechs der neun Weissrussen – die anderen drei waren ins Cineplex in Westport gegangen; wie es das Schicksal wollte, lief dort eine Dan-Brown-Verfilmung – und die beiden älteren Paare, die es geschafft hatten, nicht im Leseraum dahinzuscheiden, schlossen sich uns in der Bar an.

«Eine Runde aufs Haus», sagte ich. «Wir werden wohl noch eine Weile hier sein.»

Diese Ankündigung wurde mit Applaus belohnt. Plötzlich spürte ich, dass ich mich der Rolle als Wirt gewachsen zeigte. Geselligkeit machte sich in der Bar breit, wie sie angesichts einer drohenden Katastrophe immer herrscht, sagt man.

Der heulende Wind hallte das Doo Lough Valley entlang und wurde in Salven von den jaulenden Hunden von Killary erwidert.

Vier der sechs Weissrussen, die aus ihren spendierten Flaschen Heineken tranken, hatten Knutschflecken an den Hälsen. Offensichtlich hielten sie sich in meinen Hinterzimmern aneinander gütlich.

Die älteren Pärchen stellten sich vor.

Wir lernten Alan und Norah Fettle aus Limerick und Jimmy und Janey McAllister aus Limavady kennen. Sie liessen sich von uns allen am wenigsten verängstigen und einschüchtern.

«Der Wind hat umgeschlagen», stellte Jimmy McAllister fest. «Er weht jetzt aus Osten, Tatsache.»

«Das gefällt mir nicht», meinte John Murphy. «Da kommt nichts Gutes dabei heraus, wenn der Wind dreht. So sagt man.»

Man sagte in Killary auch, dass Wind aus Osten den Verstand verwirre.

Ich warf einen Blick hinaus; auf einem niedrigen Ast des Maibaums, der übers Wasser hinausragte, hatte eine Mantelmöwe offenbar einen Artgenossen getötet und frass ihn. Das kam mir nicht wie eine Neuigkeit vor, die irgendjemand hören wollte, also behielt ich sie für mich.

Alexei, der unübersehbar schielende Weissrusse, war nach oben gegangen, um die ganze Szene von einem der oberen Fenster aus zu betrachten, und nun kehrte er zurück und berichtete, dass der Parkplatz neben dem Hotel völlig unter Wasser stand.

«Die Versicherung wird den Schaden begleichen», tröstete Bill Knott.

«Das gibt wieder eine dieser bescheuerten Nachrichten», sagte John Murphy. «Irgendein Affe, der auf einem Tablett die Strasse entlangsegelt.»

«Allmächtiger, was macht die Möwe denn da?», fragte Norah Fettle.

Eine ziemlich unpassende Gelegenheit, die Aufmerksamkeit auf die Sache mit der Möwe zu lenken. Die Mantelmöwe hatte es genau in diesem Augenblick geschafft, den Kopf des Artgenossen abzureissen, und schleuderte ihn hin und her. Janey McAllister sackte ohnmächtig auf dem Fussboden zusammen. Die Tatsache, dass wir auf einen ziemlichen Notfall zusteuerten, liess sich nicht länger verbergen.

Ich hegte glückliche Vorstellungen. Ich dachte: Der Laden wird ausradiert, ich kassiere die Versicherung, Kambodscha, ich komme.

Norah Fettle und Vivien Harty kümmerten sich um Janey McAllister. Sie hatte etwas Schaum vor dem Mund und stöhnte leise. Die beiden Frauen verlangten Brandy. Bill Knott bestellte sich noch einen Bushmills, John Murphy ein Pint Stout.

Wir schauten alle zu den Fenstern hinaus.

Die Fluten hatten die vierte Stufe überschwemmt und ergossen sich über die Terrasse. Nebenbei bemerkten wir, dass am anderen Ende des Hafens am Hang des Mweelrea noch Lichter brannten. Dann gingen sie plötzlich aus.

«Gute Nacht, Irene», sagte Bill Knott.

Die schlimmste Nachricht bestand darin, dass sich der Ernstfall nur ganz lokal abspielte. Der Fjord von Killary wurde überflutet, sonst nichts. Das restliche Land ging seinen üblichen montäglichen Abendbeschäftigungen nach – Fussball schauen oder Dan-Brown-Verfilmungen, die Mülltonnen raustragen, die Ehen ertragen –, während die Menschen in unserer Gegend sich auf ein nasses Grab einstellten. Endlich hatte ich das Gefühl, dazuzugehören.

Und ich hatte das Gefühl, das Schlimmste, was ich tun könnte, wäre, die Bar zu schliessen. Noch immer herrschte Ausgelassenheit, doch diese würde sich nicht aufrechterhalten lassen, wenn ich den Ausschank einstellte. Das Tempo, mit dem getrunken wurde, nahm mit steigender Flut eher noch zu. Man konnte ja nie wissen, wann man das letzte Glas hob.

«Wollen wir uns nach Süden durchschlagen?», fragte Mick Harty.

Vivien rieb ihm derart zärtlich das Handgelenk, dass ich spürte, wie mir die Tränen kamen.

«Schsch», machte sie. «Schsch, Schätzchen.»

«Wenn wir zum Lough Fee hochgehen und ihn umkreisen», meinte Bill Knott, «dann könnten wir es vielleicht zur N59 schaffen.»

Die Weissrussen schleppten kistenweise alte Vorhänge aus dem Dachboden heran, um sie vor die Türen zu legen, doch kaum hatten sie die letzte Kiste die Treppe heruntergetragen, sprangen die Türen auf und liessen das Wasser herein.

Ich scheuchte alle nach oben. Dort gab es einen Veranstaltungsraum, den ich ab und zu bei Hochzeiten benutzte. Dort gab es eine voll ausgestattete Bar und funktionierende Discolichter. Wir waren keinen Augenblick zu früh dran. Während ich als Nachhut die Treppe erklomm, hinter meinen Gästen und den Weissrussen, warf ich einen Blick zurück. Dort draussen sah es aus wie die namenlose Nacht des Todes.

«Beeilt euch, Leute!», rief ich. «Beeilt euch, um Himmels willen!»

Der Raum wurde selten genutzt – die Ortsansässigen heirateten in Alghero, wenn sie es sich überhaupt leisten konnten. Weitere Anrufe wurden getätigt. Man versprach uns, dass die Rettungskräfte unterwegs seien. Ich schaltete die grelle Deckenbeleuchtung aus und das Stimmungslicht an, das sich in schön verträumten Discowirbeln drehte. Noch immer hämmerte der Regen auf mein altes Hotel in Killary ein. Ich öffnete die Bar, und die Gäste scheuten sich nicht, sie auch zu nutzen.

Wir tranken.

Wir flüsterten.

Wir lachten wie Katzen.

Bill Knott schätzte die Entfernung bis Clare Island übers Meer ein, falls es nötig werden sollte.

«Wäre ja nicht das erste Mal», meinte er, «dass unsereiner auf die kleinen Boote gescheucht wird.»

Vivien Harty flüsterte mit Janey McAllister. Langsam kehrte Janeys Gesichtsfarbe nach ausgiebigem Brandygenuss zurück. Vivien liess ihn im Glas kreisen und flösste der alten Dame kleine Schlucke ein; den winzigen grauen Kopf hatte sie sich in den riesigen Schoss gelegt.

«Wird schon alles wieder gut werden, keine Bange, Liebes», sagte sie.

Thackeray beklagte bei seinem Besuch in den entlegenen Winkeln Irlands den «erstickenden Torfqualm», den «ungebärdigen Cider» und die Kost aus «rohen Enten, rohen Erbsen», vor allem aber ein ganz bestimmtes Inn: «Die Feder sträubt sich, jenes Etablissement zu beschreiben, da sich keine englische Fantasie so etwas hätte vorstellen können.»

John Murphy teilte uns lautstark mit, er liebe seine Frau.

«Sie erregt mich noch immer», verkündete er. «Achtundzwanzig Jahre, und jedes Mal, wenn ich dieses Weibsstück die Treppe hinaufgehen sehe, kriege ich einen Steifen.»

Ich ging auf den Treppenabsatz vor dem Veranstaltungsraum hinaus und sah zur Strasse hinaus. Es handelte sich um einen Wasserweg; die Hotelterrasse war völlig verschwunden und Dutzende Kormorane näherten sich im Formationsflug übers Wasser. Es war der reinste Luftangriff. Ich stürmte zurück in den Saal, als die Kormorane auf der Dachpappe des Küchendachs hinter dem Haus landeten und ein schluchzender Mick Harty Vivien eine Affäre gestand, vor fünfzehn Jahren. Mit ihrer Schwester.

«Jetzt kommen all die schmutzigen alten Dinge ans Licht», stellte Alan Fettle fest.

Vivien ging zu ihrem Gatten, umarmte ihn und gab ihm einen leichten Kuss auf den Hals, während sie sich da in der Dunkelheit umarmten. Dann biss sie ihn. Blut trat stossweise und in grossen, wütenden Mengen aus. Ich würgte kurz und beschloss, Musik aufzulegen.

Ich eilte den Flur entlang, um ein paar CDs aus meinem Zimmer zu holen, und sah zum Fenster auf dem Absatz hinaus – eine falsche Entscheidung:

Auf den tückischen Fluten des Fjords schaukelten sieben Schafe in einem Ruderboot vorbei. Sie wirkten merkwürdig gelassen.

Ich schnappte mir einen Haufen Oldies, but Goldies: Abba, die Pretenders, Bryan Adams.

Dann stürzte ich zurück in den Saal.

«Wo wir schon mal hier sind!», rief ich, «können wir auch gleich einen Discoabend machen!»

Und wie wir die Nacht am Fjord von Killary davontanzten. Wir tanzten langsam und sinnlich zu «Chiquitita»; wir tanzten in grosser, feuchtäugiger Nostalgie zu «Brass in Pocket», und wir hatten alle noch die alten Schritte drauf, so als sei 1979 erst gestern gewesen; wir boxten wie wild in die Luft zu «Summer of ’69».

Draussen auf dem Absatz fand ich die sechs Weissrussen vor, die auf der obersten Treppenstufe sassen. Die Fluten standen die halbe Treppe hoch. Hocker trieben vorbei, Toilettenpapier, Esssets, Telefonbücher. Aber was sollte ich dagegen unternehmen?

Ich kehrte in den Saal zurück und schenkte die Pints in Strömen aus.

Alle Handys hatten keinen Empfang.

Am Horizont erschienen keine Retter in neongreller Signalbekleidung.

Noch immer stieg das Wasser.

Plötzlich waren mir die Aussichten klar. Die Welt erlaubte mir einen Blick in ihr grausiges Jenseits, und mir kam die Erkenntnis, dass man mit vierzig die Strenge ertragen muss, Dinge so hinzunehmen, wie sie sind. In Grossbuchstaben: Hinnahme. Ich musste hinnehmen, was vor mir lag – ein nasses Grab in Irlands einzigem Fjord, eine Rückkehr in die Stadt und ihre graueren Ausmasse, oder ein wortloses Exil in irgendeinem schwülen kambodschanischen Sumpfloch, Gedichte oder keine Gedichte, Kinder oder keine, Geliebte oder nicht, Krankheit oder nicht, Erfolg oder kein Erfolg. Ich würde alles so hinnehmen, wie es mir in den Weg kam, von nun an bis zu meinem letzten Atemzug.

Ganz elektrisiert suchte ich nach einem Notizbuch.

Bill Knott tanzte. John Murphy tanzte. Die McAllisters und die Fettles tanzten Walzer. Die Weissrussen fummelten in den dunklen Ecken des Saals miteinander herum. Die Hartys führten ein intensives, tiefes Gespräch in einer Sitznische – Mick drückte sich einen Haufen Servietten an den blutenden Hals. Ich begab mich auf die Tanzfläche, drehte mich langsam und schloss die Augen vor den wirbelnden Discolichtern. Die rosigen Innenseiten meiner Augenlider wurden zu Zwillingsleinwänden, auf denen Erscheinungen der Haustiere meiner Kindheit aufblitzten.

«Habt ihr auch Spass, alle miteinander?», rief ich.

«Immer langsam mit den jungen Pferden!»

«Wovon reden wir bis Loughrea, was meinst du?»

«Und bin ich etwa nicht mit einer Lungenhälfte zurückgekommen, halb so gross wie die andere?»

«Ja, genau, so ist das mit England.»

Ich rannte auf den Treppenabsatz hinaus, um kurz die Flutsituation zu prüfen, und stiess dort auf Alexei, den schielenden Weissrussen. Er deutete mit einem fröhlichen Daumenrecken auf den Wasserstand an der Treppe. Die Fluten waren ein paar Stufen gefallen. Ich klopfte ihm auf den Rücken, blinzelte einmal und kehrte in die Disco zurück.

1648, ein Jahr vor der Landung Cromwells auf Irland, war das Inn am Fjord von Killary bereits in Betrieb gewesen – es würde auch diese Katastrophe überstehen. Satzfetzen und Bilder überfielen mich – der plötzliche Schnellfeuerangriff, der einer neuen Idee vorausgeht –, und ich wusste, bald würden sie in entsprechender Reihenfolge aufziehen, und ihre vorbestimmten Rhythmen würden sich von allein ergeben. Ich spürte, wie mich eine neue, stille Begeisterung erfasste.

Endlich war der Trübsinn der Jugend verflogen.


Kevin Barry
ist irischer Schriftsteller und Journalist. Zuletzt von ihm erschienen: «Dunkle Stadt Bohane» (Tropen, 2015). Er lebt in Dublin. Die vorliegende Kurzgeschichte erscheint hier erstmals auf Deutsch.


Peter Torberg
ist deutscher Lektor und literarischer
Übersetzer.


Joshua Drewe
ist Illustrator und Künstler. Er lebt in London.

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