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Endspurt zur Null-Grenzkosten-Gesellschaft

Das Verschmelzen von Internet und Energienetz sorgt für beinahe kostenlosen Strom – und einen massiven Wandel.

Endspurt zur Null-Grenzkosten-Gesellschaft
Jeremy Rifkin, zvg.

In den kommenden Jahrzehnten werden wir den Löwenanteil der Energie für Fahrzeuge, Heizung, Haushalt, Unternehmen und praktisch jeden Sektor der Weltwirtschaft zu nahezu null Grenzkosten erzeugen – was sie so gut wie kostenlos macht. Längst Wirklichkeit ist das für einige Millionen Früheinsteiger in Kalifornien, Australien und der Europäischen Union, die erneuerbare Energie bereits heute an der Verbrauchsstelle «ernten», d.h. in ihrer zum Mikrokraftwerk umgerüsteten geschäftlichen oder privaten Immobilie produzieren. So hat der Technologieriese Google jüngst bekanntgegeben, er würde den Strom für seine Büros und Datenzentren noch binnen Jahresfrist zu 100 Prozent aus Solar- und Windenergie gewinnen. Deutschland erzeugt bereits 32 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien; spätestens 2025, so das Nahziel der Deutschen, sollen es zwischen 40 und 45 Prozent sein. Eine Führungsrolle in Sachen erneuerbarer Energien hat inzwischen China eingenommen – über die Hälfte aller weltweit verfügbaren einschlägigen Kapazitäten sind dort installiert.

Grund für die zunehmend rasante Entwicklung hin zum Einsatz erneuerbarer Energien sind die nicht weniger rasant sinkenden Kosten für die einschlägigen Technologien. Die Exponentialkurve, auf der die Festkosten für die Technik zur Ernte von Solar- und Windenergie seit über zwanzig Jahren zurückgehen, ähnelt durchaus der exponentiellen Entwicklung im Computerbereich. Beliefen sich 1977 die Kosten für die Erzeugung eines einzigen Watts Sonnenstrom noch auf über 76 Dollar, betrugen sie im letzten Quartal 2016 nur noch 35 Cent. Nachdem die Installation der Anlage sich – oft in gerade mal zwei bis acht Jahren – finanziell amortisiert hat, liegen die Grenzkosten für die so geerntete Energie bei nahezu null. Im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen oder – im Falle von Kernkraftwerken – Uran, wo für das Ausgangsmaterial Kosten anfallen, ist die auf Dächern eingefangene Sonnenenergie oder der Aufwind an Gebäudewänden umsonst. In einigen Regionen Europas und Amerikas ist Sonnen- und Windenergie bereits heute so günstig wie oder sogar günstiger als Energie aus Atomkraft oder fossilen Quellen. In Deutschland sinkt der Marktpreis durch die Kombination von Nahezu-null-Grenzkosten-Produktion und staatlich garantierten Einspeisetarifen bereits heute regelmässig unter null.

Noch deutlicher werden die Auswirkungen von nahezu null Grenzkosten bei der Ernte von Solar- und Windenergie, wenn wir uns das enorme Potenzial dieser Energiequellen vor Augen führen: In nur 88 Minuten tränkt die Sonne die Erde mit 470 Exajoule Energie – das entspricht dem Energieverbrauch der gesamten Menschheit in einem Jahr. Könnten wir nur ein Zehntelprozent der auf die Erde treffenden Sonnenenergie nutzbar machen, entspräche das dem Sechsfachen des heutigen Energieverbrauchs der gesamten Weltwirtschaft. Und wie die Solarstrahlung ist auch der Wind allgegenwärtig und bläst überall auf der Welt, auch wenn Heftigkeit und Frequenz variieren. Eine Studie der Stanford University zur globalen Windkapazität kommt zu dem Schluss, dass eine Ernte von nur 20 Prozent des auf der Welt verfügbaren Winds mehr als das Siebenfache des Stroms liefern würde, der gegenwärtig für den Betrieb unserer gesamten Weltwirtschaft nötig ist. Das Internet der Dinge wird es Unternehmen wie Prosumenten (d.h. Produzenten und Konsumenten in Personalunion) nicht nur ermöglichen, den Stromverbrauch ihrer Immobilien zu überwachen, sondern darüber hinaus ihre energetische Effizienz zu optimieren und ihren Überschuss an lokal erzeugtem grünem Strom über Grenzen und Kontinente hinweg mit anderen zu teilen.

Das Energieinternet

Das Energieinternet setzt sich zusammen aus fünf tragenden Säulen, die alle gleichzeitig einzuführen sind, soll das System effizient funktionieren.

1.

Gebäude und andere infrastrukturelle Komponenten werden aufzuarbeiten und nachzurüsten sein, um sie energieeffizienter zu machen; nur so lässt sich mittels der Installation von Technologien zur Ernte von Solar-, Wind- und anderen erneuerbaren Energien sinnvoll Strom – sei es für den sofortigen Verbrauch, sei es zur gewinnbringenden Einspeisung ins Netz – produzieren. In zahlreichen europäischen Staaten haben heute Neubauprojekte wenn schon nicht durch die Bank ein Mindestmass an Strom vor Ort zu produzieren, so doch ehrgeizigen Standards zur Energieeffizienz zu genügen.

2.

Um Energie aus fossilen Brennstoffen und Kernkraft durch Energie aus erneuerbaren Ressourcen zu ersetzen, sind ambitionierte Ziele zu stecken. Um diese zu erreichen, braucht es Einspeiseprämien als Anreiz für Früheinsteiger, ihre geschäftlichen wie privaten Immobilien zu Mikrokraftwerken auszubauen. Solche Prämien garantieren dem vor Ort aus erneuerbaren Quellen gewonnenen und ins Netz eingespeisten Strom einen wettbewerbsfähigen Preis über dem Marktwert. 

3.

Sowohl in lokale Mikrokraftwerke als auch ins gesamte Elektrizitätsnetz sind Speichertechnologien – wie etwa Wasserstoffbrennstoffzellen, Akkumulatoren oder Pumpspeicher – zu integrieren, um einerseits den Fluss intermittierender grüner Elektrizität zu verwalten und andererseits den Ausgleich von Belastungsschwankungen zwischen Spitzen- und Grundlasten zu garantieren.

4.

Zur Umrüstung unseres servomechanischen Stromnetzes auf digitale Konnektivität ist in jeder Immobilie digitale Technologie wie etwa moderne Zweirichtungszähler zu installieren; nur so gewährleistet man eine effiziente Verwaltung des von einer Vielzahl lokaler Erzeuger ins Netz eingespeisten Stroms. Diese dezentralisierte intelligente Elektrizitätsinfrastruktur ermöglicht es bislang passiven Konsumenten, aktive Produzenten ihres eigenen grünen Stroms zu werden, der sich entweder netzunabhängig nutzen oder gewinnbringend ans Energieinternet abführen lässt. In den USA ist die Zahl der Pilotprojekte für intelligente Netze im Lauf der letzten Jahre rasant gestiegen, nicht zuletzt dank Bundeszuschüssen im Rahmen des SGIG-Programms (Smart Grid Investment Grant). Deutschland hat jüngst mit seinem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende die Grundlagen für ein intelligentes Netz geschaffen und seine Absicht bekanntgegeben, in diesem Bereich bis 2026 über 20 Milliarden Euro zu investieren.

5.

Jeder Parkplatz ist mit einer – in das Energieinternet integrierten – Ladestation auszustatten, die Elektro- bzw. Brennstoffzellenfahrzeugen nicht nur das «Auftanken», sondern auch den Verkauf von Energie ans Netz ermöglichen soll. Millionen solcher mit dem Energieinternet verbundener Fahrzeuge sorgen dann für ein gewaltiges Speichersystem, das in Phasen der Spitzennachfrage Strom – zu entsprechend attraktiven Preisen – ans Netz abgeben kann. So werden Besitzer solcher Fahrzeuge für ihren Beitrag zur Energieversorgung angemessen kompensiert.

Einführung und Integration dieser fünf tragenden Säulen verwandeln unser zentralisiertes Stromnetz in ein dezentrales, verteiltes Elektrizitätssystem und sorgen für den Umstieg von fossilen Brennstoffen und Kernkraft auf erneuerbare Energien. Unter dem neuen System wird jedes Geschäft, jeder Hausbesitzer, jedes Stadtviertel zum Stromproduzenten, der seinen Überschuss in einem intelligenten Energieinternet, das sich über unsere nationalen und kontinentalen Landmassen zu erstrecken beginnt, mit anderen teilt. Angesichts der rasanten Entwicklung von Infrastruktur und Konnektivität auf der Basis intelligenter Stromzähler sehen wir gegenwärtig die ersten Peer-to-Peer-Handelsmodelle, von denen einige auf der Blockchain-Technologie der Bitcoins basieren.

Das automatisierte Transport- und Logistikinternet

Die zunehmende Koppelung von Kommunikations- und Energieinternet, wie wir sie seit einigen Jahren beobachten, markiert die Anfänge eines tiefgreifenden ökonomischen Wandels. So ermöglicht sie unter anderem den Auf- und Ausbau des automatisierten Transport- und Logistikinternets. Und das Verschmelzen dieser drei Netzwerke schliesslich bildet den Kern des Internets der Dinge, der gemeinsamen Plattform für Verwaltung, Energieversorgung und Gütertransport in einer Wirtschaft der Dritten Industriellen Revolution.

Das automatisierte Transport- und Logistikinternet setzt sich zusammen aus vier Eckpfeilern, deren Einführung, soll das System effizient funktionieren – wie beim Energieinternet –, gleichzeitig zu erfolgen hat.

1.

Wie bereits erwähnt, sind über die ganze Fläche der Landmassen verteilt Ladestationen zu installieren, die es Pkw, Bussen, Lkw und Eisenbahnzügen ermöglichen, sich mit Strom zu versorgen bzw. diesen ans Netz zurückzugeben.

2.

In sämtliche Elemente des Logistikinternets sind Sensoren einzubetten, die es Fabriken, Lagerhäusern, Grosshändlern, Wiederverkäufern und Endverbrauchern ermöglichen, jederzeit aktuelle Daten über Logistikflüsse abzurufen, die auf ihre Wertschöpfungskette wirken.

3.

Lagerung und Transport aller physischen Güter sind zu standardisieren, um sie – nach dem Vorbild des Informationsflusses im World Wide Web – effizient über sämtliche Transportwege und Knotenpunkte des Logistiksystems bewegen zu können.

4.

Alle Akteure entlang der logistischen Korridore bedürfen des Zusammenschlusses zu kollaborativen Netzen, um ihre Kapazitäten in einen gemeinsamen logistischen Raum einzubringen und den Transport von Gütern unter Nutzung horizontaler Grössenvorteile zu optimieren. So könnten zum Beispiel Tausende von Lagerhäusern und Distributionszentren Kooperativen zur effizienteren Nutzung von Lagerkapazitäten einrichten, was es wiederum Spediteuren ermöglichen würde, die effizienteste Route zum Bestimmungsort ihrer Güter zu wählen.

Die Plattform des Internets der Dinge wird – in Echtzeit – logistische Daten über Liefer- und Abholzeiten, Wetterbedingungen und Verkehrsfluss zur Verfügung stellen, dazu aktuellste Informationen über die Lagerkapazitäten entlang einer bestimmten Route. Eine automatisierte Expedition wird mittels Big Data und Analysesoftware Algorithmen für Applikationen berechnen, die eine Optimierung der gemeinsamen Effizienzen entlang der Logistikrouten garantieren; das wiederum wird zu einem drastischen Anstieg der Produktivität bei gleichzeitiger Reduktion der Grenzkosten pro Lieferung führen.

Aller Wahrscheinlichkeit nach dürfte spätestens 2025 wenigstens ein Teil des Güteraufkommens auf Strasse, Schiene und Wasser mittels fahrerloser Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeuge bewegt werden; betreiben wird man diese – zu nahezu null Grenzkosten – mit erneuerbaren Energien; die Steuerung wird durch zunehmend raffiniertere Analytik und Algorithmen erfolgen. Gestützt durch ein intelligentes automatisiertes Transport- und Logistikinternet, wird der fahrerlose Frachtverkehr sowohl die Produktivität ankurbeln als auch die Grenzkosten des Transportwesens gegen null reduzieren. Anfang 2017 bereits testeten einige weltweite Branchenführer fahrerlose Lastkraftfahrzeuge und Busse für den Markteintritt.

Unweigerlich werden Auf- und Ausbau des automatisierten Transport- und Logistikinternets zu einer neuen Auffassung von Mobilität führen. Längst nutzt die heutige Jugend Kommunikationstechnik und GPS-Steuerung eines im Werden begriffenen Transport- und Logistikinternets, um sich mit Gleichgesinnten zu Car-Sharing-Services zusammenzutun. Junge Leute ziehen den «Zugang zu Mobilität» dem Besitz eines eigenen Kraftfahrzeugs vor. Künftige Generationen einer intelligent automatisierten Ära werden aller Wahrscheinlichkeit nach nie ein eigenes Fahrzeug fahren. Larry Burns, früher Executive Vice President von General Motors, heute Professor an der University of Michigan, besorgte eine Studie über das Mobilitätsverhalten in Ann Arbor, einer amerikanischen Stadt mittlerer Grösse, und kam zu der Erkenntnis, dass Car-Sharing-Services im Vergleich zu Fahrzeugen in privater Hand die Transportkosten über eine Meile um 80 Prozent reduzieren. Ausserdem stellte er fest, dass ein «gemeinsamer Fuhrpark fast augenblicklichen Zugang zu einem Fahrzeug gewährt, und das bei einer Flotte von nur 15 Prozent der Zahl der Fahrzeuge in Privatbesitz, die für diese Fahrten im Einsatz gewesen wären».

Gegenwärtig kriechen mindestens eine Milliarde Pkw, Busse und Lkw über die Strassen der Welt. Fahrzeuge mit benzin- bzw. dieselgetriebenen Verbrennungsmotoren waren das Kernstück der Zweiten Industriellen Revolution. Die Massenproduktion dieser Fahrzeuge verschlang enorme Mengen an natürlichen Ressourcen. Darüber hinaus verbrennen Pkw, Busse und Lkw ungeheure Mengen an Erdöl und tragen mit ihrem Schadgasausstoss wesentlich zur Erderwärmung bei. Burns’ Studie legt nahe, dass eine grosse Zahl der Fahrzeuge, die heute auf unseren Strassen unterwegs sind, mit der flächendeckenden Annahme von Car-Sharing-Diensten bereits im Lauf der nächsten Generation verschwinden wird. Was immer an Fahrzeugen übrigbleibt, es werden mit erneuerbarer, zu nahezu null Grenzkosten gewonnener Energie betriebene Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeuge sein. Und diese gemeinsam betriebenen Fahrzeuge werden fahrerlos auf automatisierten intelligenten Strassensystemen unterwegs sein.

Langfristig wird der Umstieg vom Privatfahrzeug zum Zugang zu Mobilität in fahrerlosen Fahrzeugen auf intelligenten Strassensystemen zu einer fundamentalen Veränderung des Geschäftsmodells der Transportindustrie führen. Die grossen Autohersteller rund um die Welt werden im Verlauf der nächsten dreissig Jahre weniger Fahrzeuge produzieren und dürften sich aller Wahrscheinlichkeit nach als Mobilitäts- und Logistikmanager im Rahmen eines globalen automatisierten Transport- und Logistikinternets etablieren.

Ein neues Modell für den Fertigungssektor

Das Verschmelzen von Kommunikationsinternet, grünem Energieinternet und automatisiertem Transport- und Logistikinternet zu einem gemeinsamen Systemkern sorgt für das globale Gehirn der kognitiven Infrastruktur, die wir als Internet der Dinge bezeichnen. Diese neue digitale Plattform wird von Grund auf die Art und Weise verändern, wie wir ökonomische Aktivitäten verwalten, energetisch versorgen und über die zahlreichen Wertschöpfungsketten und Netzwerke der Weltwirtschaft bewegen. Diese digitale Plattform des Internets der Dinge ist das Herz der Dritten Industriellen Revolution.

Seit einigen Jahren schon macht sich eine neue Generation von Kleinstherstellern das im Entstehen begriffene Internet der Dinge zunutze und konnte damit – unter Reduktion der Grenzkosten – ihre Produktivität drastisch erhöhen. Sie verschaffen sich damit Wettbewerbsvorteile gegenüber den eben noch unantastbaren globalen Herstellungsgiganten, deren Grössenvorteile aus der traditionellen vertikalen Integration resultieren. Ich spreche vom 3D-Druck bzw. generativer Fertigung, wie man die damit verbundenen Verfahren auch nennt; sie gehen als Produktionsmodell mit dem Internet der Dinge einher.

Bei der generativen Fertigung dirigiert Software in einem Drucker kleinste Portionen geschmolzenen Rohmaterials an ihren Bestimmungsort, um Schicht für Schicht ein fertig ausgeformtes dreidimensionales Objekt aufzubauen, das sogar über bewegliche Teile verfügen kann. Man braucht es nur zu entnehmen. Wie der Replikator der Enterprise in der «Star Trek»-Serie lässt der Drucker sich auf eine unendliche Vielfalt von Produkten programmieren. Drucker produzieren bereits heute eine ganze Palette von Produkten – von Schmuck, Kfz- und Flugzeugteilen über Prothesen bis hin zu Elementen für den Hausbau. Und der 3D-Druck legt eine rasante Wachstumsrate vor, die sich Prognosen zufolge auch künftig nicht verlangsamen wird.

Der Produktionsprozess beim 3D-Druck ist von Grund auf anders organisiert als die Herstellungsprozesse der Ersten und Zweiten Industriellen Revolution. Bei der traditionellen Fabrikation handelt es sich um einen subtraktiven Prozess: Rohmaterialien werden zurechtgeschnitten und – etwa durch Spanen – abgearbeitet, um sie in die gewünschte Form zu bringen. Bei diesem Prozess fällt eine erhebliche Menge an Abfall an, Material, das für das Endprodukt nicht vonnöten ist. Der 3D-Druck dagegen ist als «Infofaktur»-Prozess ein additives bzw. generatives Herstellungsverfahren: Software dirigiert hier das geschmolzene Rohmaterial Schicht um Schicht aufeinander und erzeugt so das Produkt in einem Stück. Die generative Infofaktur benötigt entsprechend nur ein Zehntel des Materials subtraktiver Herstellungsverfahren, was dem 3D-Druckverfahren hinsichtlich Effizienz und Produktivität einen enormen Vorteil verschafft.

3D-Drucker sind sogar in der Lage, ihre eigenen Ersatzteile herzustellen, ohne dass es kostspieliger Investitionen bedürfte. Ausserdem sind mit 3D-Druckern Produkte ohne Umrüstung des Druckers kundengerecht masszuschneidern und zu minimalen Kosten selbst kleinste Fertigungslose herzustellen. Traditionellen zentralisierten Herstellungsunternehmen mit ihrer kapitalintensiven Massenfertigung mittels teurer, fest installierter Fertigungsstrassen fehlt schlicht die Flexibilität, um mit dem Fertigungsprozess des 3D-Drucks zu konkurrieren; immerhin kann letzterer ein einziges massgeschneidertes Produkt zu praktisch denselben Stückkosten herstellen wie ein Fertigungslos von 100 000 Exemplaren desselben Produkts.

Um den 3D-Druck jedoch zu einem wirklich autarken lokalen Prozess zu machen, hat das Rohmaterial für das vom Drucker verarbeitete Filament reichlich lokal verfügbar zu sein. So hat Staples, bekannt als Lieferant für Bürobedarf, einen von Mcor Technologies im niederländischen Almere gebauten 3D-Drucker vorgestellt, der mit billigem Papier als Rohmaterial druckt. Der als Selective Deposition Lamination (DSL) bezeichnete Prozess druckt 3D-Objekte mit der Konsistenz von Holz – und das in Farbe. 3D-Drucker werden zur «Infofaktur» handwerklicher Produkte genutzt, Modelle für Architekten zum Beispiel, aber auch solche für die plastische Gesichtschirurgie. Das verwendete Papier kostet gerade mal 5 Prozent des bisherigen Rohmaterials. Andere 3D-Drucker benutzen als Rohmaterial recyceltes Plastik, Papier und Altmetall, und das alles bei Grenzkosten von nahezu null.

Darüber hinaus kann eine Person mit einem 3D-Drucker ihr Fabrikationslabor mit grünem Strom betreiben, der entweder direkt vor Ort oder von einer lokalen Produzentenkooperative erzeugt wird. Kleine und mittlere Unternehmen in Europa und andernorts beginnen sich bereits in regionalen grünen Stromkooperativen zu organisieren, um sich horizontale Grössenvorteile zunutze zu machen. Angesichts des ständigen Anstiegs der Kosten für zentralisierte fossile Brennstoffe und Atomenergie haben Unternehmen kleinerer und mittlerer Grösse dann einen Vorteil, wenn sie mit erneuerbaren Energien arbeiten können, deren Grenzkosten so gut wie gleich null sind.

Auch die Marketingkosten gehen in der Wirtschaft eines Internets der Dinge in den Keller. Die hohen Kosten zentralisierter Kommunikation sowohl in der Ersten als auch in der Zweiten Industriellen Revolution in Form von Magazinen, Zeitungen, Radio und Fernsehen brachten es unweigerlich mit sich, dass nur die grösseren Hersteller, Unternehmen mit integrierten nationalen Operationen, nationale und globale Märkte bewerben konnten, wodurch kleinere Hersteller ihre Marktreichweite erheblich eingeschränkt sahen. In der Dritten Industriellen Revolution bietet selbst ein kleines Unternehmen mit einem einzigen 3D-Drucker irgendwo auf der Welt seine infofakturierten Produkte auf einer wachsenden Zahl globaler Marketing-Sites im Internet zu nahezu null Grenzkosten an.

Sich auf lokaler Ebene in die Infrastruktur des Internets der Dinge einzuklinken, gibt kleinen Infofakturen einen letzten kritischen Vorteil gegenüber den vertikal integrierten, zentralisierten Unternehmen des 19. und 20. Jahrhunderts an die Hand: Sie können ihre Fahrzeuge mit Energie aus erneuerbaren Quellen betreiben, deren Grenzkosten bei nahezu null liegen, was ihre Logistikkosten die ganze Versorgungskette entlang ebenso reduziert wie die Kosten für die Auslieferung ihres fertigen Produkts.

Extreme Produktivität

Die Revolution im 3D-Druck ist ein Beispiel für «extreme Produktivität». Die dezentrale Fertigungsart bedeutet, dass über kurz oder lang jeder Zugang zu den Produktionsmitteln haben wird, was die Frage, wer sie besitzen oder kontrollieren sollte, für eine wachsende Zahl von Gütern irrelevant macht.

Das Peer-to-Peer-Prinzip des Internets der Dinge erlaubt Millionen unterschiedlichster Player – Unternehmen kleiner und mittlerer Grösse, Social Entrepreneurs und Einzelpersonen –, Güter und Dienstleistungen direkt miteinander auszutauschen, was die kostspieligen Zwischenhändler der Zweiten Industriellen Revolution eliminiert. Dieser fundamentale technologische Wandel hinsichtlich Organisation und Expansion wirtschaftlicher Aktivitäten verweist auf einen nicht weniger tiefgreifenden Wandel im Fluss ökonomischer Macht weg von den wenigen und hin zu den Massen – mit anderen Worten auf die Demokratisierung des Wirtschaftslebens.

Der Übergang von der Zweiten zur Dritten Industriellen Revolution wird, das sei hier betont, nicht über Nacht vonstattengehen; rechnen Sie damit eher im Lauf der nächsten dreissig, vierzig Jahre, aber nach Überschreiten eines Kipppunktes nimmt das Tempo womöglich drastisch zu. Viele von Europas weltweit agierenden Herstellern werden auch in Zukunft florieren, doch wird auch bei ihnen die Demokratisierung der Fertigung, die eine Hightech-Renaissance für kleinere und mittlere Unternehmen begünstigt, zu einem tiefgreifenden Strukturwandel führen. Europas Herstellungsriesen werden sich zunehmend partnerschaftlich mit einer neuen Generation von 3D-Druckunternehmen kleinerer und mittlerer Grösse in kollaborativen Netzwerken arrangieren. Während ein Gutteil der Fertigung in die Hände kleinerer und mittlerer Unternehmen übergeht, die die Zugewinne an Effizienz und Produktivität horizontaler Skaleneffekte nutzen können, werden die Herstellerriesen Wert zunehmend aus Aggregation, Integration und Verwaltung von Marketing und Vertrieb von Produkten ziehen.


Der vorliegende Text ist ein exklusiv für den Schweizer Monat aktualisierter Text, der zuvor in «Huffington Post» erschienen ist.

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Das erste Kernkraftwerk der Schweiz wurde 1969 von der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG (NOK) in Betrieb genommen. Deren Träger waren und sind die Kantone Aargau, Appenzell, Glarus, Schaffhausen, St. Gallen, Zug und Zürich sowie einige ihrer Elektrizitätswerke, heute bekannt unter dem Namen Axpo Power AG. Bild: Schaltzentrale des Atomkraftwerks Beznau kurz nach der Inbetriebnahme 1969, photographiert von Jules Vogt / ETH-Bibliothek, Bildarchiv / Com_M18-0203-0013 / CC BY-SA 4.0
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