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Ein Glas Bier mit  Hans van den Elshout-Gyger
Illustration: Matthias Wyler / Studio Sirup.

Ein Glas Bier mit
Hans van den Elshout-Gyger

Hans van den Elshout-Gyger führt den Salatsaucen-Hersteller Gyger Gourmet.

Hans van den Elshout-Gyger trägt eine weisse Schürze und Handschuhe, als er die Treppe hinaufkommt, er zieht die Arbeitskleidung aus, wäscht sich die grossen Hände und streckt mir eine davon hin. «Gerade fertig», sagt er, holt eine grosse Flasche mit rotem Etikett aus dem Kühlschrank, giesst uns zwei Gläser ein und nimmt an der Holztheke Platz. Hans ist als Salatsaucenproduzent weit über das Berner Oberland hinaus bekannt, er führte ausserdem vier Jahre lang einen Bierladen, den er in diesen Tagen schliessen muss. «Deshalb trinken wir heute ein Bier, keinen Wein. Ein belgisches. Oude Kriek.» Ein Fruchtlambic, das optisch eher an Rosé-Champagner erinnert, aber deutlich saurer ist. Hans lacht: «Sauerkirschen, spontanvergoren.» Und ja, denkt der Pilstrinker: Wenn man sich einmal dran gewöhnt hat, kann man es trinken.

Hans ist eigentlich Koch, stammt aus Holland, hat mit 19 ein Praktikum im Zürcher Zunfthaus zur Saffran gemacht, danach als Schiffskoch eine holländische Schiffsbesatzung verpflegt, um sich 1988, im Alter von 28 Jahren, in Schönried niederzulassen. Eine Stelle als Souschef hatte ihn hergelockt, an einen Ort, weit weg von Windmühlen und Schiffen. Im ehemaligen Hotel Bahnhof lernte er seine Frau kennen, und wie es der Zufall wollte, suchte der Verwaltungsrat der Horneggli-Bahnen schon bald einen Koch für das Gipfelrestaurant – die van den Elshout-Gygers übernahmen. «Eine saisonale Geschichte: die Bahn hat im Jahr dreieinhalb Monate geschlossen, da haben wir dann im Lebensmittelgeschäft meiner Schwiegereltern gearbeitet. Das Kochen dort oben ist auch nicht ganz einfach, da die Logistik besser geplant werden muss.» Das brachte ihn dazu, sein Salatsaucenrezept auszutüfteln. Dabei handelt es sich um ein französisches Dressing, das ohne fertige Mayonnaise auskommt. «Wir haben die Sauce immer frisch hergestellt, das Rezept habe ich nie verändert.»

Es war das Brot, das ihn auf seinen Erfolg aufmerksam machte – denn es ging bald immer öfter aus. «Während die Herrschaften im Restaurant ihr Cordon bleu hatten und zufrieden waren, bestellten die Damen den Fitnessteller oder den Salat. Und sie bestellten Brot. Sie bestellten Brot nach. Und Sauce. Immer wieder.» Während andere Gipfelrestaurants sich mit der «besten Rösti» ihre Kunden hinaufangelten, hatte Hans den Jackpot gezogen: die Damen der Châletbesitzer aus dem Unterland, ob nun Industrieller oder Blaublüter, wollten aufs Horneggli. Und sie wollten Salat mit der Sauce von Hans.

«Dann kam die Tochter», sagt Hans, nimmt einen Schluck vom Bier. «Mit Kind auf einem Berg zu kochen – das ist noch schwieriger, als dort eine gute Salatsauce zu machen. 1996 sind wir zurück ins Tal gekommen, haben den Laden der Eltern übernommen. Meine Frau hatte dann eine Businessidee.» Hans lacht, erzählt, dass sie ihm vorgeschlagen habe, die Salatsauce herzustellen, abzufüllen und im Laden zu verkaufen. Sein Schwiegervater und er waren skeptisch, aber probiert habe er es doch. Bald interessierten sich Geschäfte, Berner Kaufhäuser und Firmen für die «Schönrieder Salatsauce», wollten sie in grösseren Mengen bei ihm bestellen. Hans installierte unter dem Geschäft eine Produktionsanlage, die Sache funktionierte. Einmal lud ihn ein kantonaler Lebensmittelkontrolleur nach Hause ein, um ihm bei der Deklaration der Inhaltsstoffe zu helfen. «Die Schweiz ist ein phantastisches Land – wer ehrlich arbeiten will, hat hier keine Probleme», sagt er.

Emmi holt heute alle 14 Tage 800 Flaschen ab, Produktion und Ertrag sind stabil. Natürlich sei das Saanenland kein perfekter Standort für die Produktion von Salatsauce: der Boden sei zu teuer, das Sterben vieler Kleinbetriebe macht ihm Sorgen, vor allem mit Blick auf eine mögliche Expansion. «Ich könnte mehr verkaufen, Kunden gäbe es genug, die allermeisten Anfragen muss ich ablehnen, da ich sonst die Qualität nicht mehr garantieren kann.» Eigentlich, sagt er, müsse er CHF 250 000 in eine Abfüllanlage und mehr Personal stecken. «Aber: mit 58? Ich weiss es nicht.»

Hans schliesst seine Bierladentür – bald zum letzten Mal. Aber unter den leeren Regalen wird er weiterhin täglich stehen: freundlich pfeifend, mit einem übergrossen Stabmixer, getaucht in die beste Fertigsalatsauce des Landes.

Bier: Lindeman’s Oude Kriek Cuvée René.

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