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Bankkundenstiftungen? Nein!

Im Gravitationsfeld von Banken tummeln sich viele gemeinnützige Stiftungen. Dabei haben gewinnorientierte, kompetitive Finanzdienstleister keine genuin philanthropische Haltung, auch keine Programmatik des gemeinnützigen Handelns. Eine Streitschrift.

Bankkundenstiftungen? Nein!
Banquiers zählten zu den Pionieren der Philanthropie in der Schweiz, der «Alte Rotbergerhof» an der Basler Rittergasse zeugt davon: Die Liegenschaft wurde 1849 von der dritten Teilhabergeneration der 1787 gegründeten La Roche Privatbank übernommen und als Bankhaus eingerichtet. Photo: Christoph Läser.

In der Schweiz treten seit etwa zwei Jahrzehnten von Banken und anderen Finanzdienstleistern gegründete Dachstiftungen mit grossen PR-Budgets an, um ihre Dienste als Philanthropie-Hubs vermögenden Kunden anzubieten. Statt eine eigene Stiftung zu gründen, so ihre Argumentation, sei das zu widmende Vermögen viel besser im Rahmen der jeweiligen Bankenstiftung aufgehoben. Dabei geniessen sie, wie andere gemeinnützige Stiftungen auch, steuerliche Privilegien. Wenn allerdings eine Bank ihr Image mit dem Philanthropie-Bonus aufmöbelt und ihre Berater Vermögensteile ihrer Kunden für die von der Bank dominierte Dachstiftung akquirieren, dann verwischen die Grenzen zwischen gemeinnützig und privatnützig in irritierender Weise. Was heisst das konkret?

Banken als Stiftungshabitat

Die schweizerische Stiftungslandschaft ist nicht so homogen, wie es die Verwendung von «Stiftung» als Begriff und als Rechtsform suggerieren mag. In der Praxis herrscht eine bunte Vielfalt, denn dank liberaler Rahmenbedingungen ist die Schweiz ein Biotop unterschiedlichster Stiftungstypen und -modelle, das auch immer wieder neue Formen entstehen lässt. Für die dritte Auflage des «Swiss Foundation Code» (2015) wurde deshalb eine Stiftungstypologie erarbeitet, die nicht nur die in der schweizerischen Gesetzgebung verwendete juristische Terminologie abbildet, sondern sämtliche im Stiftungssektor auftretenden Stiftungsarten definitorisch zu fassen versucht. Zum einen wurden die in der Praxis gängigen Begriffe geklärt, zum anderen neue Stiftungstypen erfasst.1

Erstmals in der einschlägigen Literatur kam dabei der Begriff der Bankenstiftung2 bzw. der bankennahen Stiftung zur Darstellung. Zwar mögen diese Bezeichnungen schon seit einigen Jahren da und dort verwendet worden sein, bisher aber fehlte eine Beschreibung und erste Analyse dieses boomenden Stiftungstypus, der wiederum in sich selbst verschiedene Formen kennt.

Seit seinen Anfängen im 18. Jahrhundert steht der Bankenplatz Schweiz mit der Mission der Philanthropie – verstanden als wohltätige Grundhaltung wohlhabender Menschen, die sich in der Realisierung gemeinnütziger Aktivitäten äussert – in einem engen Verhältnis. Aus dieser Dualität resultiert bis heute eine bedeutende gesellschaftliche Ausstrahlung und Wirkung. Banquiers gehörten zu den Philanthropen der ersten Stunde und sind es teilweise bis heute geblieben. Waren Bankenstiftungen traditionell aber eher diskret und zurückhaltend, so treten sie seit der Jahrhundertwende vermehrt dezidiert öffentlich in Erscheinung, in einer bunten Vielgestaltigkeit bzw. Mischung von alt eingesessenen und neu konzipierten. Mit ihrer offensiven Kommunikationspolitik haben sich dabei insbesondere die sog. «Bankkundenstiftungen» als eigentliche Dachstiftungen in den Vordergrund gestellt.

Der Trend zur Neugründung verschiedener Arten von Bankenstiftungen und die daraus resultierende Unübersichtlichkeit sind Grund genug, die Charakteristika von Bankenstiftungen und damit den Ordnungsrahmen für eine kleine Typologie dieses dynamischen Stiftungsbereichs herauszuarbeiten. Was ist das eigentlich, eine Bankenstiftung?

Typologie der Bankenstiftungen

Es gilt drei Typen von Bankenstiftungen zu unterscheiden, die sich in der Praxis allerdings meist überschneiden: die Banquierstiftung, die Bankeigentümerstiftung und die Bankkundenstiftung. Bei allen stellen sich grundsätzliche Fragen zur Regelung der unterschiedlichen Interessen von Stiftung und Bank.

a) Die Banquierstiftung

Die Banquierstiftung ist die älteste Form der Bankenstiftung. Sie ist eine von philanthropisch orientierten Banquierpersönlichkeiten und mit Teilen ihres Privatvermögens errichtete Förderstiftung. In ihrer ursprünglichen Form unterscheidet sie sich nicht von einer klassischen Stiftung. Sie stellt daher auch keine spezifischen Fragen an eine gute Stiftungsführung.

b) Die Bankeigentümerstiftung

Die Bankeigentümerstiftung ist eine von einer Bank gegründete und aus ihrem Vermögen, d.h. mit ihren Eigenmitteln, alimentierte Förderstiftung. Rechtlich ist die Bank die Stifterin, wirtschaftlich sind die Eigentümer der Bank die Stifter. Auch der Stiftungstypus der Bankeigentümerstiftung steht der klassischen Stiftung bzw. der Firmenstiftung sehr nahe, indem anstelle einer vermögenden Privatperson das Kollektiv der Bankeigentümer die Stiftung alimentiert, wodurch eine Miteigentümerkontrolle gewährleistet ist.

c) Die Bankkundenstiftung

Die Bankkundenstiftung schliesslich, die neuste Form der Bankenstiftung, wird im wesentlichen mit Mitteln von Bankkunden alimentiert. Einige Banken bieten ihren Kunden individuelle oder kollektive Stiftungsgefässe an, mit denen sie ihre Anliegen umsetzen lassen können. Die Bankkundenstiftungen sind Sammel- bzw. eigentliche Dachstiftungen; als selbständige Stiftungen vereinen sie unter ihrem Dach verschiedenste Fonds, d.h. unselbständige Stiftungen mit je eigenem Stiftungszweck. Eine solche Stiftung ist zwar eine selbständige juristische Person, de facto aber keineswegs eigenständig, sondern von Bankeninteressen dominiert. So sitzt etwa im Stiftungsrat eine Mehrheit von Bankenvertretern, die Vermögensbewirtschaftung wird von eben derselben Bank besorgt, Auftraggeber und Auftragnehmer sind identisch, eine effektive Kontrolle entfällt. Die Bankkundenstiftung als Spielart der Dachstiftung ist aus Sicht einer zeitgemässen Foundation Governance also schon deshalb kein Zukunftsmodell, weil sie strukturell ihre multiplen Interessenkonflikte nicht im Griff hat.

Nicht zu den Bankenstiftungen zu zählen sind die von Banken oder Vermögensverwaltern allgemein dominierten Stiftungen, Förderstiftungen also, bei denen direkte oder indirekte Vertreter des Vermögensverwalters eine Mehrheit der Stiftungsräte stellen. In solchen Fällen hat selten bereits der Stifter diese Fremddominanz durch einen Finanzdienstleister eingerichtet oder systemisch verankert, vielmehr wurde die Stiftung nach und nach, sanfter oder unsanfter, von Fremdinteressen geentert. Die Frage nach einer guten Führung ist hier schnell beantwortet: Indem der Finanzdienstleister die Kontrolle über die Stiftung übernommen hat, fehlt ihr faktisch jede Unabhängigkeit. So können Interessenkonflikte nicht gelöst werden, weil sie Teil des Systems sind, teilweise die Stiftungsaktivitäten bestimmen oder sogar bewirtschaftet werden. Weshalb hier die Stiftungsaufsichten konsequent wegschauen bzw. beredt schweigen, ist unverständlich. Es schadet dem Ansehen des Stiftungsstandortes Schweiz.

Bankenstiftungen sind Firmenstiftungen…

Bankenstiftungen stellen bezüglich ihrer Beziehungsmerkmale eine Sonderform der Firmenstiftung dar, bei der eine Firma als Gründerin bzw. Stifterin im Vordergrund steht. Zwar ist eine Firmenstiftung de jure eine unabhängige Rechtsperson, de facto aber steht sie in engen Verbindungen und Abhängigkeiten mit dem Unternehmen, was hohe Anforderungen an eine gute Führung stellt: Aus der Verquickung von Stiftungs- und Unternehmenshandeln ergeben sich mancherlei Fragen zur Vermischung von philanthropisch-gemeinnützigen und wirtschaftlich-privatnützigen Absichten. Dabei steht nicht so sehr im Vordergrund, ob erstere letztere unterstützen, als vielmehr, ob letztere erstere korrumpieren.

Die Einschätzung der Gemeinnützigkeit von Firmenstiftungen spitzt sich dann zu, wenn sich das gemeinnützige Engagement mit den wirtschaftlichen Zwecken der Firma überschneidet oder sich gar deckt. Im Extremfall bereitet eine Firmenstiftung die wirtschaftliche Expansion einer Unternehmung vor. Eine Firmenstiftung muss also mit folgenden kritischen Fragen umgehen können, um ihre Steuerbefreiung immer wieder neu zu rechtfertigen: Wie eng sind die gemeinnützigen Stiftungsaktivitäten an die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens gekoppelt? Hat die Stiftung ein Eigenleben oder gehorcht sie ausschliesslich der Firmenstrategie? Verfolgt die Firma mit der Stiftung vor allem wirtschaftliche Eigeninteressen? Sind Aktivitäten eines Unternehmens als philanthropisch zu bezeichnen, bei denen die Förderung das Vehikel für künftige wirtschaftliche Tätigkeit darstellt? Darf der Zusammenhang zwischen sozialer Verantwortung und ökonomischen Vorteilen gezielt bewirtschaftet werden? Und: entwertet der ökonomische Hintergedanke die gemeinnützige Tätigkeit?

Klar ist: grundsätzlich können Gemeinnutzen und «Business» nicht sauber voneinander getrennt werden. Nur mit erwirtschafteten Mitteln ist philanthropisches Handeln möglich. Firmen sind und bleiben kommerzielle Unternehmungen, und so sind deren Investitionen letztlich immer «gewinnbringend» zu intendieren. Aus Unternehmenssicht ist eine Firmenstiftung deshalb eine Investition, die das Business mit der Gemeinnützigkeit in gegenseitig sich unterstützendem Sinne verbindet. Dabei ist allerdings die Orientierung an einer ökologisch nachhaltigen und sozial verträglichen Wirtschaft entscheidend.

Unternehmen sehen sich heute mehr und mehr einer gesellschaftlichen Verantwortung verpflichtet, die sich in gemeinnützigen Anliegen konkretisiert. Die Stossrichtung der Anliegen steht dabei naheliegenderweise meist mit dem Unternehmenszweck in einem engen Zusammenhang. Die inhaltliche Nähe zum Geschäft hat aber nicht nur für die Firma grosse Vorteile, sondern auch für die Stiftung: Zum einen ist Kompetenz vorhanden, die in gemeinnützigen Organisationen oft fehlt. Zum anderen existiert mit der Öffentlichkeit und den Miteigentümern (Aktionariat) eine wirksame Kontrolle über die Stiftung, die sich am Imagewert misst und auf Verstösse empfindlich reagiert: Gerät das soziale Engagement in Widerspruch mit den Geschäftspraktiken, so schadet eine Firmenstiftung ihrem Unternehmen. Die am Typus Firmenstiftung wegen der Nähe von Unternehmen und Stiftung oft grundsätzlich geübte Kritik greift also zu kurz und zeugt von einem fundamentalistischen Stiftungsverständnis, das verkennt, dass philanthropisches Handeln immer aus der Reibung zwischen Privat- und Gemeinnützigkeit entsteht.

… aber bei den Bankkundenstiftungen fehlt die Kontrolle

Die Bankenstiftungen unterstehen grundsätzlich denselben Gesetzmässigkeiten wie Firmenstiftungen. Allerdings: bei ihnen verschärft die Organisation der Vermögensbewirtschaftung die Irritation zwischen Gemeinnützigkeit (Stiftungstätigkeit) und wirtschaftlicher Tätigkeit (Bankgeschäft). Dies gilt insbesondere bei den als Dachstiftungen konzipierten Bankkundenstiftungen: Die Trägerbank bestimmt über die Bewirtschaftung des Stiftungsvermögens, die sie selbst ausführt, sie erteilt sich selbst Aufträge und kontrolliert sich selbst, es existiert kein Gegenüber von Auftragserteilung und -ausführung.

Des weiteren betreiben Banken im Rahmen der Kundenpflege eine mehr oder weniger offensive Akquisition von Fonds und Zustiftungen für ihre Bankkundenstiftung. Vordergründig mag es dabei um Gemeinnützigkeit gehen. Der damit verbundene wirtschaftliche Nutzen der Bank ist aber offensichtlich: Erstens kann die Bank die Verquickung von Philanthropie und Vermögensbewirtschaftung für ihre Image- und Reputationspflege bewirtschaften; und so ist Stiftungskommunikation dann auch immer Firmen-PR. Zweitens aber verbleiben die gewidmeten Vermögen der betreffenden Kunden über ihren Tod hinaus bei der Bank. Sie drohen nicht abzufliessen, sondern können ohne jegliche Auftraggeber- oder Miteigentümerkontrolle zu eigenen Konditionen bewirtschaftet werden.

Fazit

Bankkunden, die im Rahmen einer Bankkundenstiftung einen Fonds eröffnen oder eine Zustiftung tätigen, übergeben ihre gemeinnützige Initiative einem gewinnorientierten Unternehmen, das daraus in mehrfacher Hinsicht einen wirtschaftlichen Nutzen zieht. Die Dachstiftung vom Typus Bankkundenstiftung kann deshalb potenziellen Stiftern als Vehikel ihrer gemeinnützigen Idee nicht empfohlen werden. Auch aus Sicht der «Foundation Governance» (gute Stiftungsführung) stellt die Bankkundenstiftung legitimatorisch kein zukunftsfähiges Modell für Dachstiftungen dar – nicht zuletzt die Banken wären deshalb gut beraten, die längerfristige Existenzberechtigung ihrer Bankkundenstiftungen zu prüfen.


1 Thomas Sprecher, Philipp Egger, Georg von Schnurbein: Swiss Foundation Code 2015 – Grundsätze und Empfehlungen zur Gründung und Führung von Förderstiftungen. Hrsg. von SwissFoundations (= Foundation Governance, Bd. 11). Basel: Helbing, 2015. Auch in französischer und englischer Übersetzung erschienen.
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Als Bankenstiftungen allgemein werden klassische, gemeinnützige Förderstiftungen gemäss Art. 80 ff. ZGB bezeichnet, die als Sonderformen der Firmenstiftung in einem besonders engen personellen, organisatorischen oder institutionellen Bezug zu einer Bank stehen. Diese Nähe kann sich auf die Stiftungsgründung beziehen, auf die Namensgebung, die Mittelherkunft, die Stiftungsführung, die Vermögensbewirtschaftung, die Mittelakquisition und die Stiftungskommunikation.

 

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