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300 Jahre Denkmäler, nichts für Pedanten

Georg Kreis: «Zeitzeichen für die Ewigkeit. 300 Jahre Schweizerische Denkmaltopografie». Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2008.

«300 Jahre schweizerische Denkmaltopografie» verspricht der Untertitel auf dem Buchdeckel. Wer eine straffe Geschichte der Schweizer Denkmäler sucht oder eine Übersicht über die Denkmäler in den verschiedenen Landesteilen, sollte die Finger von diesem Buch lassen. Enttäuscht wird vermutlich auch jemand, der ein Handbuch der Schweizer Denkmäler samt ihrer Katalogisierung und exakter Typologie haben möchte, und ebenfalls derjenige, der sich auf kunsttheoretische Erörterungen oder künstlerisch-ästhetische Analysen einlassen will. Beim ersten Durchblättern bereits mögen Pedanten ein Sachregister vermissen, oder bemängeln, dass sich in den Anmerkungen zu vieles aus dem Text fortsetzt und verzweigt. Es sei empfohlen, sich trotzdem zum Lesen anstiften zu lassen, und zu akzeptieren, dass Ordnung und Auswahl «nicht die absolute Logik für sich beanspruchen», wie Georg Kreis gleich in der Einleitung mögliche Erwartungen korrigiert.

Wer sich nämlich – vielleicht vom poetisch tönenden Titel «Zeitzeichen für die Ewigkeit» – verführen lässt, wird sich genussvoll gefangennehmen lassen von den zahllosen Geschichten über Schweizer Denkmäler. Mit viel Freude am Detail und am Spannend-Nebensächlichen, auch an Skurrilem sind sie erzählt. Wer weiss schon, zum Beispiel, dass Bayernkönig Ludwig II. in den 1860er Jahren das Rütli, das Schweizer «natürliche Denkmal», übernehmen wollte, um sich dort ein Schloss zu bauen?

Mit den Denkmalgeschichten beleuchtet Kreis ausführlich historische Hintergründe und politische Umstände der Denkmalprojekte, berichtet eingehend über Initianten und Schöpfer, über Kosten und Finanzierungen, Einweihungsfeiern, über öffentliche Debatten und interne Zänkereien der Denkmalkomitees um Standorte oder Gestaltung von Denkmälern, von verhinderten und nie verwirklichten sowie über das Nachleben, das viele Monumente fristen: ausgesetzt so manchem Protest und manchen Attacken, entsockelt, gestürzt oder nur verschoben wie vor ein paar Jahren einige Zürcher Denkmäler. Die «Denkmalwuth» des bürgerlichen Zeitalters hat sich keineswegs gelegt, die Denkmalflut hält an. Der Leser, der aufmerksam durch den öffentlichen Raum geht, stimmt Kreis zu und ebenso der Feststellung, dass Denkmäler oft gesetzt werden ohne «Erinnerungsanlass» und schon gar nicht als «Zeitzeichen für die Ewigkeit».

Beliebigkeit und werbewirksame Bedeutungsplusterei kennzeichnen viele heutige Denkmäler, die sich ausgeben als «Weiterentwicklung» oder gar als «Infragestellung der Denkmalidee», konstatiert Kreis und verweist etwa auf das Basler «Duftdenkmal» namens «Revier» sowie auf jenes riesige, grellgelbe Polyester-Wesen «Mocmoc», das seit 2003 den Bahnhofplatz von Romanshorn ziert. Sie setzen einen ironischen Schlusspunkt unter die Denkmalsgeschichten, die Kreis aufblättert. In der Summe sind seine Erzählungen über Schweizer Denkmäler ein wichtiger Beitrag zur Kultur- und Mentalitätsgeschichte der Schweiz, zu lesen auch als kritischer Kommentar zum jeweiligen Zeitgeist.

vorgestellt von Ute Kröger, Kilchberg

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