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Die Quote ist ein erniedrigendes Privileg

Ausgerechnet die mutmasslichen Übergriffe des früheren IWF-Direktors Dominique Strauss-Kahn spielen jetzt den Verfechtern einer Frauenquote in die Hände. Dieser Fall ist noch nicht einmal der einzige, aus dem Kommentatoren folgern, der Mangel von Frauen in Führungspositionen gefährde die guten Sitten. Vor Jahren fiel Volkswagen mit «Lustreisen» des Betriebsratsvorsitzenden auf; nun hat die Hamburg-Mannheimer Versicherung ihren […]

Ausgerechnet die mutmasslichen Übergriffe des früheren IWF-Direktors Dominique Strauss-Kahn spielen jetzt den Verfechtern einer Frauenquote in die Hände. Dieser Fall ist noch nicht einmal der einzige, aus dem Kommentatoren folgern, der Mangel von Frauen in Führungspositionen gefährde die guten Sitten. Vor Jahren fiel Volkswagen mit «Lustreisen» des Betriebsratsvorsitzenden auf; nun hat die Hamburg-Mannheimer Versicherung ihren Vertriebsleuten «Sexorgien» spendiert.

Vergewaltigung bedeutet physische und psychische Gewalt. Sie stellt damit natürlich einen anderen, menschlich unmittelbareren kriminellen Tatbestand dar als die moralisch zweifelhafte Verwendung oder Veruntreuung von Firmenmitteln. Und doch bauen alle diese Vergehen auf demselben ekelhaften und, ja, in manchen Ländern traditionell stärker ausgeprägten Sexismus auf, der Frauen zu Konsumobjekten macht. Immerhin: dass derlei überhaupt auffliegt und Debatten auslöst, ist ein erster Schritt zur Besserung. Aber soll es im Ernst die Aufgabe der Frauen sein, auf die Männer aufzupassen? Sollten sie nicht ihre Kompetenz einbringen, statt abermals vor allem wegen ihres Geschlechts willkommen zu sein? Auch ist es Männern ja wohl durchaus zuzumuten und zuzutrauen, sich selber klarzumachen, was recht ist und was sich gehört, und danach zu handeln.

Es stimmt, dass sich an der Spitze nur wenige Frauen tummeln. Zu wenige? Wer will das entscheiden! Als Erklärung werden jedenfalls zumeist entgegenstehende Präferenzen genannt; die Kollision von Beruf und Familie; der «Closed Shop» einer bündischen Männerwelt. Wer liberal denkt, muss andere Präferenzen gelten lassen, gleich, woher sie kommen, gleich, ob bedingt von Tradition oder Genetik, was übrigens nicht scharf zu trennen ist. Würde die Politik eine veränderte Arbeitsteilung erzwingen, statt eine spontane Entwicklung in der Gesellschaft zuzulassen, machte sie nur viele Menschen unglücklich. Politik soll den gesellschaftlichen Wandel nachvollziehen, nicht anstossen.

Unstrittig ist, dass sich Beruf und Familie gerade in zeitaufwendigen Spitzenpositionen nur mit Mühe vereinbaren lassen. Und dass Männer ihren Frauen den Rücken freihalten, entspricht nicht dem eingeübten Rollenbild. Mütter, die das Gros der Kindererziehung dem Partner oder – wie einst die Oberschicht – Dritten überlassen, plagen heute Schuldgefühle. Das senkt die Partizipa-tionsquote von Frauen am Arbeitsmarkt insgesamt. Auch das muss man respektieren. Dennoch darf man sich wünschen, dass es die gesellschaftliche Norm Frauen einmal leichter machen möge, auch ohne persönliche Konflikte ihr Potential im Berufsleben zu entfalten. Natürlich ist es zulässig, offen mit Normen und Traditionen zu hadern; nur bei Reibung können sie sich je wandeln. Doch wäre es eine Anmassung, ihre Spuren per gesetzgeberischen Federstrich tilgen zu wollen.

Dass Männer bewusst Frauen von Führungspositionen fernhalten, ist schliesslich infame Nachrede. Das Gegenargument, dass solche Diskriminierung ökonomisch unklug wäre, weil man ohne Not auf Talent und gute Arbeitskraft verzichtete, zieht logisch zwar nicht: die Opportunitätskosten wären unter Umständen vom angeblichen Machonutzen gedeckt. Doch zumindest die anekdotische Evidenz lässt erwarten, dass sich allfällige Restbestände eines «Closed Shop» schon recht bald im Zuge der kulturellen Evolution von selbst erledigt haben werden. Dies mit einer Quote zu erzwingen, wäre grundverkehrt – gleich, in welcher konkreten Gestalt sie daherkäme, als Gesetz oder als vorläufige Selbstverpflichtung der Wirtschaft. Gerade für qualifizierte Frauen ist eine Quote ein erniedrigendes Privileg; für die Wirtschaft könnte sie mangels Masse teuer werden. Werte entstehen und wandeln sich im freien Diskurs und in der freiwillig gelebten Praxis, nicht auf staatliches Dekret.

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