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Money makes the world go round


Dass mit unserem Geldsystem etwas nicht stimmen kann, dürften mittlerweile alle begriffen haben – ausser vielleicht die Ökonomen. Vor einiger Zeit habe ich zusammen mit einem Schaffhauser Regierungsrat und einem deutschen Professor für Ökonomie, Mitglied der Mont Pèlerin Society, an einer Podiumsdiskussion über die Zukunft des Liberalismus teilgenommen. Irgendwann kamen wir auch auf die Rolle des Geldes in einer liberalen demokratischen Gesellschaft zu sprechen. Der Wirtschaftswissenschaftler und ich waren uns überraschend schnell darin einig, dass das gegenwärtig vorherrschende fraktionale Schuldgeldregime hauptsächliche Ursache jener Misere sei, wie sie sich heute in Europa und über einen grossen Teil der Welt ausgebreitet hat. Es brauche ein 100%-Geld-System. Bei der Frage, ob dieses «Vollgeld» dann eher von Privaten oder doch viel mehr von einer öffentlich-rechtlichen Institution emittiert werden sollte, waren wir aber schon wieder unterschiedlicher Ansicht.

Zum Abschied habe ich ihm das Buch «Über Geld schreibt man doch!» (Zytglogge Verlag, 2011) geschenkt, in dem 30 namhafte Schweizer Autorinnen und Autoren ihre Gedanken zum Thema Geld niedergeschrieben haben. Der Professor äusserte sogleich Zweifel, dass es erhellend sein könne, wenn sich Literaten mit diesem komplexen, ökonomischen Thema beschäftigten. Ich habe Zweifel an seinem Zweifel.

Es gibt da doch einige flotte Beispiele nachdenkend Schreibender, die mehr von der Art und Weise der Geldschöpfung und ihrer Auswirkung auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft verstehen, als die meisten angeblichen Experten: allen voran der gemässigte Liberale Johann Wolfgang von Goethe im Faust II (Der Hofnarr beim Betrachten eines «Zettels» zu Mephistopheles: «Und kaufen kann ich Acker, Haus und Vieh?» Mephistopheles: «Du hast dafür, was Schlund und Bauch begehrt.»).

Unter den zeitgenössischen Autoren möchte ich Andreas Eschbach erwähnen, der mit seinen beiden Werken «Eine Billion Dollar» (Lübbe Verlag, 2001) und «Eine Trillion Euro» (2004) zwei Bestseller gelandet hat. Unterhaltsamer als wie in diesen beiden Geschichten kann man die fatale Organisation unseres Geldsystems kaum zwischen zwei Buchdeckel packen. Hier eröffnet sich dem nach Verständlichkeit dürstenden Wirtschaftsstudenten die ganze Tragik eines zerstörerischen Denkfehlers, der ihm von Fachdozenten über Jahre hinweg indoktriniert statt erklärt wurde. Geld ist Schuld und Schuld ist Geld. Soll sich das Geld vermehren, müssen das auch die Schulden.

In «Eine Billion Dollar» erbt im Jahr 1995 der jüngste Nachkomme eines Geschäftsmannes im Florenz der Renaissance dessen Vermögen, das sich über die Jahrhunderte durch Zins und Zinseszins exponentiell vermehrt hat. Auf der Suche nach den Motiven seines Vorfahren für dieses seltsame Testament, gelangt er eines Tages zur Erkenntnis, dass sein Vermögen die Ursache für viele soziale und ökologische Probleme ist, aus deren Würgegriff sich der Globus kaum mehr zu befreien weiss. Denn es wächst genauso schnell, wie die Schulden der Welt, die von allen Menschen, egal ob Schuldner, Steuerzahler oder Konsumenten bedient werden müssen. Und so stehen in «Eine Billion Dollar» Europas Volkswirtschaften vor den traurigen Resultaten ihrer grenzenlosen kreditfinanzierten Wachstumspolitik: hohe Arbeitslosigkeit, schwere soziale Unruhen, verarmter Mittelstand und Völkerwanderungen gen Afrika sowie eine irreparabel zerstörte Biosphäre. Eine Delegation von Ausserirdischen unterbreitet den versammelten Staatschefs das Angebot, Europa wie es vor 200 Jahren war, auf dem Mond nachzubauen. Bezahlen können sie in den eigenen Währungen. Als die Politiker realisieren, was sie angerichtet haben und trotz Jahrzehnte der Demokratie, des wirtschaftlichen Wachstums und der politischen Stabilität doch nur über exorbitante Schulden, aber über keine flüssigen Mittel oder Staatsregale mehr verfügen, kommt es zum Eklat.

Kommen wir jetzt aber auf die Frage zurück, wer denn nun das «neue» Geld produzieren soll. Nach Meinung der Anhänger der Österreichischen Schule sollten das Private sein. Privates Geld – angeblich eine Ware wie jede andere auch – soll nach Meinung weiterer auch noch durch private Einlagensicherung (Land, Immobilien, andere Sachgüter) oder Silber oder Gold gedeckt sein. Allumfassende Privatisierung, Wettbewerb bis zum Organhandel und Marktgesellschaft statt Marktwirtschaft also soll uns allen die grosse Freiheit bringen. Das klingt in meinen Ohren eher nach einem Rückfall in den Feudalismus, was jeder verstehen kann, der schon mal beim Brettspiel Monopoly verloren hat, weil er nach jedem Zug Abgaben an Private entrichten musste, selber aber kaum mehr Einnahmen hatte. Und Geld durch Gold zu decken, das man zuerst mühsam aus Mutter Erdes Eingeweiden gebuddelt hat, um es dann doch wieder in unterirdischen Bunkern dem Tageslicht zu entziehen, dürfte bei erwähnten Ausserirdischen neuerliches Kopfschütteln auslösen.

Geld soll uns noch heute das Überleben sichern. Aber erst Lebensmittel ermöglichen unser Überleben (was auch Baucis und Philemon in Goethes Faust erkannt haben). Gold ist kein Lebensmittel. Gold hat erstmals in Babylon vor 2700 Jahren den Fernhandel ermöglicht, weil es zu mühsam gewesen wäre, mit den Überschüssen der Getreidespeicher als Zahlungsmittel zu reisen. Geld sollte also wenn schon durch Lebensmittel (die Früchte der durch uns bedrohten Schöpfung) oder dann moderner, durch die gemeinsam erbrachten Leistungen aller Teilnehmer einer Volkswirtschaft geeicht werden.

Norbert Elias hat in seinem Buch «Über den Prozess der Zivilisation» (Verlag Haus zum Falken, 1939) hergeleitet, welche Machtbereiche in einer aufgeklärten Zivilisation essentiell der (eidgenossenschaftlich organisierten) Allgemeinheit gehören müssen, um auch zukünftigen Generationen den freien Zugang zum Raum und zum freien Markt zu gewährleisten. Der Marktplatz zu Adam Smiths Zeiten beispielsweise gehörte nicht Privaten («Die Uhr», Ivo Muri 2004). Ein weiterer Machtbereich ist das Geld. Geld ist ein öffentliches Mittel, das in heutigen, arbeitsteiligen Gesellschaften jeder benötigt – wie Luft oder Wasser.

Dennoch ist die Frage, ob privat oder öffentlich-rechtlich hergestelltes Geld natürlich mindestens so relevant wie diejenigen nach Aufklärung durch Transparenz und der Charaktere der verantwortlich handelnden Personen. Ob von Politik und Banken unabhängige Zentralbanker eine vernünftigere Geldpolitik zustande bringen als es Private können, möchte ich nicht per se voraussetzen. Dass aber ausgerechnet in einer direkten Demokratie Finanzierung und (Giral-)Geldschöpfung der öffentlichen Kontrolle entzogen und gänzlich Privaten überlassen wird, finde ich grotesk.

Private Geschäftsbanken haben keinen am Gemeinwohl orientierten Auftrag – sondern nur eben jenen, halluzinativ-digitalen Gewinn zu machen. Und das tun sie in einer saturierten Volkswirtschaft zunehmend im selbst geschaffenen Finanz-Casino, also ausserhalb der für uns Menschen relevanten Realwirtschaft – bis zu deren Zerstörung (80 bis 95% der Zahlungsmittelmenge wird heute von den Banken in Form von Buchgeld/Sichtguthaben/Giralgeld in Umlauf gebracht). Die Geschäftsbanken kontrollieren de facto die Geldversorgung der Realwirtschaft und kreieren so ein Schneeballsystem aus ungedeckten, künftigen Zahlungsversprechen, welche der Schuldner auch noch idiotengleich mit dinglichem Eigentum absichern muss. Und wenn sie die so geschaffene Fiktion, nämlich materielle Zukunftssicherung in elektronischen Zahlungsversprechen auszudrücken, nicht mehr einlösen können (weil sie das gesetzlich vollwertige Geld, also das Bargeld gar nicht haben, um es einzulösen), drohen sie Politik und Gesellschaft mit ihrem Suizid, um vom Steuerzahler und der entmündigten National- oder Zentralbank gerettet zu werden. Ist das nun ein tragfähiges Zukunftsmodell für den Liberalismus?

Die Zentralbank der USA (FED) ist sogar ganz offiziell im öffentlichen Telefonbuch als private Firma eingetragen, ohne dass sich der Durchschnittsamerikaner trotz Schuldendesaster daran zu stören scheint. Die vorläufig letzte Privatisierung der wechselhaften Geschichte der amerikanischen Zentralbank im Jahre 1913 zog zur Absicherung ihrer privaten Eigner gar die Gründung der Einkommenssteuerbehörde IRS nach sich. Etliche US-Präsidenten (Thomas Jefferson, Andrew Jackson, Abraham Lincoln, James A. Garfield, John F. Kennedy) und Abgeordnete (z.B. der Vater des Flugpioniers Charles Lindbergh) brachten in den vergangenen 250 Jahren immer wieder die Forderung aufs Tapet, die nach Benjamin Franklin der eigentliche Grund des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges war: das Verlangen der ehemaligen Kolonie nach eigener Geldhoheit. Sie wollten nicht mehr gezwungen sein, das Geld der englischen Monarchie tributpflichtig benutzen zu müssen, die das Privileg der Geldschöpfung ebenfalls mit der Einrichtung der Bank of England 1694 in private Hände gelegt hatte und die – das nur nebenbei – der Versuchung, mehr Wechsel herauszugeben, als Gold in ihren Kellern lagerte, ebenfalls nicht widerstehen konnte. Die Folgen waren im Kern dieselben wie heute, wenn auch noch nicht mit diesen globalen Konsequenzen.

Was haben wir in Technik und Medizin für eindrucksvolle Fortschritte gemacht, während wir in der Geldtheorie noch immer überholten und auch überteuerten Modellen nachhängen. Die vertiefte Diskussion über die Zukunft eines dienlichen Geld- und Finanzsystems ist jedenfalls evident. Vielleicht war das Notenmonopol von 1891, die Gründung der staatlichen Kantonalbanken (mit dem Auftrag die nützlichen Talente der Menschen und den regionalen Geldkreislauf zu fördern) moderner, als wir heute glauben: «Wer etwas verstehen will, muss den Sinn, aus dem es hervorgegangen ist, selbst in seiner Brust tragen.» Jeremias Gotthelf

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